Vom Rand in die Stadtmitte

■ Kooperationsverbund in Kreuzberg e.V. zieht Bilanz der Qualifizierung von Arbeitslosen im Kiez / Übergangslagerflächen im alten Grenzbereich? / Arbeitslosenvermittlung nach Ost-Berlin anvisiert

Vor vier Jahren lautete der Arbeitsauftrag noch: Arbeitslose im Randbezirk Kreuzberg qualifizieren und in Betriebe vermitteln. Doch die Mitarbeiter des „Kooperationsverbundes in Kreuzberg e.V.“ stellten bald viel mehr auf die Beine: Sie gingen regelmäßig in die meist kleinen und mittleren Betriebe, erkundigten sich nach Problemen und halfen, wo es ging - kostenlos. Mal wurden Gewerberäume vermittelt, mal gab es Tips für die finanzielle Förderung oder „Geburtshilfe“ bei der Existenzgründung. Arbeit für die Betriebe statt für die Arbeitslosen? „Die Betriebe nehmen uns die Arbeitslosen ab, wenn wir denen schon mal weitergeholfen haben“, erklärt Geschäftsführer Harald Bremm. Das „erfreuliche Abfallprodukt“ Arbeitsvermittlung bringe mehr Erfolge als der Versuch, den Unternehmen Arbeitslose mit Förderungsversprechen aufzuschwatzen, wie es die gängige Methode sei. Im letzten Jahr wurde im Kooperationsverbund auch der Bereich technischer Umweltschutz aufgebaut. Der zuständige Mitarbeiter konnte Betrieben Hinweise geben, wie Probleme schnell und möglichst billig beseitigt werden können, bevor die Aufsichtsbehörden kommen. Auch Konflikte, die die „Kreuzberger Mischung“ ständig mit sich bringt, konnten so oft beigelegt werden. „Wohnen und Arbeiten, ohne daß es stinkt“, bringt Mitarbeiter Manfred Buss es auf den Punkt.

Jetzt ist Kreuzberg nicht mehr die hintere Ecke West -Berlins. Ändern sich die Aufgaben des Kooperationsverbandes? Der Geschäftsführer sieht neue Horizonte: „Es gibt hier zum Beispiel viel zu wenig Freiflächen.“ Viele Betriebe wären auch über kurzzeitige Lagermöglichkeiten froh, wie sie sich im direkten Grenzbereich anbieten und jederzeit wieder geräumt werden könnten, wenn eine Bebauung beschlossen wird. Neue Aussichten sieht Bremm auch für kleine Zulieferbetriebe, die zum Beispiel mit computergesteuerten Werkzeugmaschinen ausgestattet sind. „Wir müssen da offen denken“, sagt er mit Blick Richtung Osten. „Wir können in Ost-Berlin gucken, wo Bedarf besteht und dann Kontakte herstellen.“ Arbeitslose mit geringer Qualifikation könnten in Ost-Berlin möglicherweise besser vermittelt werden, weil die Arbeitsanforderungen oft geringer seien. Voraussetzung für alle diese Pläne sei eine wie auch immer geartete Vertragsgemeinschaft zwischen BRD und DDR und eine Lösung für das Währungsgefälle.

Die Gefahr, daß kleine Betriebe durch einfallende Konzerne aus der BRD verdrängt werden, sieht Bremm nicht: „Die gehen auf die grüne Wiese, es ist denen einfach zu teuer, einen ganzen Gewerbehof aufzukaufen und umzubauen.“ Daher werden seiner Meinung nach die Gewerbemieten auch nicht so wahnsinnig steigen wie die für Wohnungen und für Läden an den Straßen. Über Hilfen für den dort betroffenen Dienstleistungsbereich müsse der Senat aber unbedingt nachdenken.

Anfang April steht die Überleitung des Kooperationsverbundes in die Wirtschaftsförderung Berlin GmbH an. „Wichtig ist dann die Kontinuität“, betont Bremm. Um die Bestandspflege und -sicherung des Produktionsgewerbes in Kreuzberg weiterführen zu können, dürften die bestehenden Kontakte zu mehreren hundert Betrieben nicht gefährdet werden.

Katja Niedzwezky