Das Ende der längsten Aussperrung in den USA

Die amerikanische Chemiegewerkschaft OCAW hat sich gegen den Chemie-Multi BASF durchgesetzt: Nach fünfeinhalb Jahren Aussperrung stellt die BASF in Louisiana alle betroffenen Arbeiter wieder ein / Neue Gewerkschaftstaktik: Die OCAW führte den Arbeitskampf zusammen mit Bürgerrechtlern und Umweltschützern  ■  Von Rolf Gramm

Die längste Aussperrung in der US-amerikanischen Geschichte ist zu Ende. Nach über fünfeinhalb Jahren Arbeitskampf können jetzt alle aus dem Werk der BASF in Geismar im US -Bundesstaat Louisana geworfenen Arbeiter in die Fabrik zurückkehren. Im Dezember schloß die Gewerkschaft OCAW (Oil, Chemical and Atomic Workers) einen entsprechenden Tarifvertrag mit dem Management der amerikanischen BASF -Niederlassung.

Begonnen hatte der Arbeitskonflikt 1984. Kurz bevor der betriebliche Vertrag zwischen Gewerkschaft und BASF auslief, sperrte das Management damals alle 370 in der Gewerkschaft organisierten Arbeiter und Arbeiterinnen aus. Als Begründung für diesen in den USA absolut ungewöhnlichen Schritt führte die Betriebsführung an, daß damit angeblich drohende Sabotageakte abgewendet werden sollten. In den darauf folgenden Verhandlungen versuchte die BASF, immer schärfere Bedingungen zu diktieren: So sollten die Arbeiter gravierende Lohnkürzungen akzeptieren, nur etwa die Hälfte der Ausgesperrten sollte wiedereingestellt werden, und zwar unter Bedingungen, die ihre jederzeitige Kündigung erlaubt hätten. Die Produktion im Werk wurde seit der Aussperrung durch billigere und schlecht ausgebildete Leiharbeiter aufrechterhalten.

1987 hatte der Chemie-Multi den Arbeitskampf einseitig für beendet erklärt und 234 Chemiearbeiter wieder ins Werk gelassen. Die BASF weigerte sich aber weiterhin, die 110 ausgesperrten Instandhaltungsarbeiter in den Betrieb aufzunehmen. Diese sollten vielmehr gegen eine Abfindung auf eine Wiedereinstellung verzichten.

Nach dem jetzt abgeschlossenen, für drei Jahre gültigen Tarifvertrag können alle betroffenen Arbeiter wieder eingestellt werden. Außerdem mußte die BASF zusichern, künftig Arbeiten in der Chemie-Produktion nicht mehr an Fremdfirmen zu vergeben. Die Zeit der Aussperrung wird als Dienstzeit anerkannt (was nach dem amerikanischen Senioritätsprinzip zahlreiche Rechte mit sich bringt), und die Arbeiter erhalten Lohnerhöhungen. Außerdem wurden strenge Sicherheitsregelungen vereinbart. Dennoch hat sich die Gewerkschaft nicht vollständig durchsetzen können: Sie mußte dem Konzern zugestehen, daß die Instandhaltungsarbeiten auch weiterhin an Fremdfirmen vergeben werden dürfen. Die Arbeiter, die zuletzt noch ausgesperrt waren, können also nicht auf ihre alten Arbeitsplätze zurückkehren, sondern werden für Tätigkeiten in der Chemie-Produktion umgeschult.

Für bundesdeutsche Verhältnisse absolut ungewöhnlich war die „neue Taktik“, die nach Auffassung der OCAW für den Erfolg ausschlaggebend war: Die größte der drei amerikanischen Chemie-Gewerkschaften suchte ein offensives Bündnis mit Bürgerrechtsgruppen und Umweltschützern. Wichtigstes Argument der OCAW: Wenn die BASF eine hochkomplexe Produktion gefährlicher Stoffe wie in Geismar in die Hände schlechtausgebildeter Leiharbeiter verlagere, dann zeige dies nur, wie verantwortungslos diese Manager insgesamt mit den von der Chemie-Industrie ausgehenden Gefahren umgehen. Folglich suchte die OCAW das „Bündnis mit allen Opfern der sozialen Verantwortungslosigkeit des Konzerns“. An allen Standorten der Firma wurde die Geschäftspolitik der BASF und deren Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft ins Visier genommen. Schließlich beschwor die renommierte 'New York Times‘ die Gefahr eines „Bhopal on the Bayou“, nachdem dem Chemie-Multi die Verantwortung für zahlreiche Umweltskandale nachgewiesen werden konnte.

Regelmäßig reisten Gewerkschaftsvertreter zu den jährlich in Ludwigshafen stattfindenden Aktionärsversammlungen und prangerten dort die Geschäftspolitik der amerikanischen Tochter publikumswirksam an. Unterstützt wurden sie in der BRD durch ein Solidaritätskomitee und durch die Grünen.

Ein wenig blamabel ist der Erfolg der amerikanischen Gewerkschaft für die hiesige IG Chemie. Die mächtige Rappe -Truppe ließ den Arbeitskampf der amerikanischen Schwestergewerkschaft weitgehend links liegen, weil sie die Zusammenarbeit der OCAW „mit Grünen und Kommunisten“ störte und - wie es der Ludwigshafener IG-Chemie-Chef Hans-Dieter Brand im Jahre 1987 formulierte: „Wir haben kein Interesse, die Umweltschiene zu fahren.“