Frankreich ordnet Chemieindustrie neu

■ Regierung zimmert Staatskonzerne um, damit sie mit den bundesdeutschen großen Drei besser konkurrieren können

Paris (dpa/taz) - Sieben Jahre nach der letzten Neuordnung der Chemieindustrie hat die französische Regierung erneut eine umfassende Umgruppierung der Branche begonnen. Mit Blick auf die „Verquickung von Industrie- und Bankenmacht in der Bundesrepublik“ plant Paris eine Konzentration auf die drei staatlichen Pole Elf Aquitaine, Rhone-Poulenc und Total CFP. Fallengelassen wurde dafür der Plan, die Ölkonzerne Elf und Total zu fusionieren.

Der jüngst sanierte Chemiekonzern Orkem, der erst 1988 das Erbe der CDF-Chemie angetreten hatte und 1989 rund 25 Milliarden Francs (7,5 Milliarden DM) umsetzte, wird aufgelöst und unter Elf und Total aufgeteilt. „Wir haben das Größenproblem im Vergleich zur Konkurrenz gelöst“, sagte der liberale Industrieminister Roger Fauroux. Lediglich die Roussel-Uclaf entgeht der Neuordnung, mit der die französische Industrie dem deutschen Führungstrio die Stirn bieten soll: Sie gehört mehrheitlich zur Hoechst AG.

Der Fauroux-Plan sieht folgende Pole vor: Elf. Der Konzern soll um seine Chemietochter Atochem das „Maximum der Basis-Chemie“ gruppieren und damit unter den führenden Chemiegruppen der Welt vom 14. auf den siebten Rang vorstoßen. Auch die Elsässischen Kaligruben der EMC -Gruppe (16 Milliarden Franc Umsatz) dürften Elf zugeschlagen werden. Atochem wird samt Pennwalt (USA) und 19 Milliarden Franc Orkem-Geschäft seinen Umsatz um rund 30 Milliarden auf 80 Milliarden Franc (24 Milliarden DM) steigern.

Die Elf-Gruppe wird dann 20 Prozent des Euromarktes für Polystyren halten, ihre Äthylen-Fertigung auf 600.000 Tonnen verdoppeln und in einigen Spezialitäten wie technischen Polymeren Weltmarktführer sein. Mit der Übernahme der Societe Chimique de la Grande Paroisse wird Elf zudem bedeutender Düngemittelanbieter. Auch für die Pharma-Tochter Sanofi und die Kosmetik-Sparte (Nina Ricci, Yves Rocher) gibt es Entwicklungspläne. Total. Der Ölkonzern soll „ein neues Gleichgewicht finden“ (Fauroux), indem ihm fünf Milliarden Franc Orkem-Geschäft (Farben, Tinte) und das Farbengeschäft von Elf zugeschlagen werden. Zudem erweitert um einige Chemiespezialitäten, deren Zyklus der Ölkonjunktur entgegenläuft, wird der Total -Chemieumsatz sich von 5,8 Milliarden (1988) auf 15 Milliarden Franc (4,5 Milliarden DM) knapp verdreifachen. Das Kapital soll um zwölf Milliarden Franc (3,6 Milliarden DM) erhöht werden. Der Einstieg der staatlichen Großbank BNP und der Staatsversicherungen UAP und GAN erlaubt dabei, den direkten Staatsanteil getreu der Devise der Regierung „weder Verstaatlichung noch Privatisierung“ bei 34 Prozent zu belassen. Rhone-Poulenc. Die führende französische Chemiegruppe erhöhte ihren Umsatz mit Staatshilfe über Aufkäufe 1989 um zehn Milliarden auf 75 Milliarden Franc (22,5 Milliarden DM). Zukäufe im Ausland wie die Stauffer-Mineralchemie, die Chemiesparte von Rio Tinto Zinc oder die Agrochemie von Union Carbide sollen Rhone-Poulenc in allen Unternehmensbereichen unter die fünf Weltmarktführer hieven.

Nach der Machtübernahme der Sozialisten hatte Frankreich bereits 1982/83 die Chemieindustrie verstaatlicht und umfassend umgruppiert. Lediglich Hoechst konnte damals eine Mehrheitsbeteiligung an Roussel-Uclaf retten. Aus sechs Staatskonzernen wurden vier um die Pole Elf, CDF, Rhone -Poulenc und EMC gebildet. Total verlor sein Chemiegeschäft, und die Pechiney Ugine Kuhlmann wurde aufgeteilt.

Die Strategie ging auf: Hatten die Chemiekonzerne 1981 noch vier Milliarden Franc Verlust geschrieben, kamen sie bald aus den roten Zahlen. Eine aggressive Akquisitionspolitik erbrachte zudem die gewünschte Internationalisierung der zuvor auf den Inlandsmarkt fixierten Industrie. Seit 1985 gaben die großen Gruppen nach Berechnungen der Gewerkschaft CGT 60 Milliarden Franc (18 Milliarden DM) für Auslandserwerbungen aus. Heute ist die Branche trotz der „ungenügenden Größeneinheiten“ im Kern gesund: 1989 wuchs ihr Umsatz mit neun Prozent schneller als der Umsatz der europäischen Konkurenz, und die Branche erzielte einen Exportüberschuß von 22 Milliarden Franc (6,6 Milliarden DM).

Zum Vergleich: Die IG-Farben-Nachfolger brachten es 1988 auf folgende Umsätze und Gewinne: BASF 42,4 Milliarden DM Umsatz und 1,4 Milliarden DM Gewinn; Hoechst: 41 Milliarden DM Umsatz und zwei Milliarden DM Gewinn; Bayer 40,5 Milliarden DM Umsatz und 1,9 Milliarden DM Gewinn.