Zwei trinkfeste Männer streiten um die Stimmen

Der Sieg der SPD bei den saarländischen Landtagswahlen am 28.Januar ist unumstritten / Die Spitzenkandidaten Lafontaine (SPD) und Töpfer (CDU) setzen auf Personenkult / Zünglein an der Waage sind die Grünen und die REPs / Optimismus bei den koalitionswilligen Grünen  ■  Von Petra Bornhöft

Saarbrücken (taz) - Wäre es nicht der erste Urnengang nach dem Umbruch in Osteuropa, hieße nicht der SPD -Spitzenkandidat Lafontaine, so wäre die Landtagswahl am 28. Januar im Saarland zu vergessen. Fade schleppt sich der Parteienstreit durch ländliche Gasthöfe, Turnhallen und Saarbrücker Hotels. Die einzige Fernsehdiskussion der ListenführerInnen in dieser Woche hätte der Saarländische Rundfunk vor zwei Jahren aufzeichnen können, ohne einen gravierenden Verlust an Aktualität zu riskieren.

Die von SPD und CDU strategisch angelegte Piefigkeit ihrer Kampagne - keine Veranstaltung ohne das Steiger-Lied, Glück auf! - paart sich mit demonstrativer Zuversicht beider Parteien, sie hätten das gewünschte Ergebnis bereits sicher in der Tasche.

Ginge es nach den Meinungsumfragen, dann könnte die SPD sich erneut behaupten. Mit einer knappen absoluten Mehrheit von 49,2 Prozent regiert Lafontaine seit 1985 an der Saar. Den Vorsprung von nur einem Mandat hofft Bundesumweltminister Töpfer (CDU) aufzuholen, selbst wenn die Prognosen für die Union (1985: 37,3 %) eher Stimmenverluste ausweisen. Auf die FDP (10 %) baut die CDU weniger. Diese „Ein-Mann-Show“ (Grüne über ihren „Hauptgegner“) zittert mangels Profil und trotz vorhergesagter 9 Prozent um den Einzug in den Landtag.

Nach anfänglicher Festlegung zugunsten der CDU hat FDP-Chef Horst Rehberger wieder die Tür zu den Sozis geöffnet: Er schlug einen „Heimatbund“ der drei Altparteien gegen REPs und Grüne vor.

Wie diese abschneiden, dürfte indes entscheidend sein. Den Meinungsumfragen zufolge liegen die Grünen (1985: 2,5 %) zwischen 4 und 5 Prozent. Ebenso die REPs, die bei der Kommunalwahl im Juni 1989 auf Anhieb 4,4 Prozent der Stimmen erzielten, obgleich sie nicht in allen Wahlkreisen im Saarland kandidierten.

Grüne wie REPs behaupten, über ein Wählerpotential von 7 bis 8 Prozent zu verfügen. Schaffen beide oder nur eine der Parteien den Sprung ins Parlament, dann ist es aus mit Oskars Alleinherrschaft. Damit wäre seine Kanzlerkandidatur indes nicht erledigt. Niemand aus der Bonner SPD-Baracke hat Lafontaine in den letzten Tagen den Stolperstein einer absoluten Mehrheit am 28. Januar in den Weg gelegt.

Personenkult und

regionaler Chauvinismus

Dank leidlich florierender Wirtschaft und gesunkener Arbeitslosigkeit im Saarland mangelt es an neu polarisierenden Themen in der Landespolitik. Die Positionen zur Stahl- und Energiepolitik sind steinalt. Auch in der Deutschlandpolitik wiederholen die Kandidaten das, was seit Wochen in den Zeitungen steht. Besonders die Sozialdemokraten setzen auf eine personenorientierte Strategie, die auf den regionalen Chauvinismus spekuliert. Penetrant, aber heftig beklatscht, spricht Lafontaine in der Wir-Form. „Wir Saarländer sind stolz auf das, was wir in den letzten jahren geleistet und erreicht haben.“ Dazu zählt in erster Linie die Sanierung der Stahlindustrie an der Saar, die sich SPD und CDU streitig machen, ohne lange bei dem Zusammenhang zwischen neuerlichem Stahlboom und der befristeten Sicherung der Arbeitsplätze zu verweilen. „Ein Kernenergie-Lobbyist hat bei uns an der Saar nix verloren“, wettert Lafontaine gegen Töpfer. Keine Gelegenheit läßt der Ministerpräsident aus, höhnisch darüber herzufallen, daß der Konkurrent, erst drei Wochen vor der Wahl „zugewandert“, mit dem „Rucksack von Mainz nach Saarbrücken“ gezogen sei. Da donnert ein Lachen durch die Sporthalle von Tholey-Theley.

Der Angegriffene kontert vor seiner Klientel in der Dorfkneipe: Er habe bei dem früheren MP Röder während der 70er Jahre in der Staatskanzlei „Politik gelernt. Danach bin ich - und das ist gute handwerkliche Tradition - auf Wanderschaft gegangen. Jetzt freuen sich meine Familie und ich, wieder hier zu sein.“ Kommt auch gut an, nur wahrscheinlich nicht gut genug.

Töpfer wird nach einer Wahlniederlage in Bonn Minister bleiben. Offiziell wich er zwar der Frage aus, ob er als CDU -Oppositionsführer die Abgeordnetenbank drücken wird. Aber man muß nicht lange bohren, um zu erfahren, daß ihm der Job als Bundesumweltminister „enorm viel Freude bereitet“. Der Rückzug ist gesichert. Da kann der Dicke aus Oggersheim noch so viel toben, vor dem 9. Oktober wird er sich hüten, ausgerechnet den Bundesumweltminister in die Wüste zu schicken.

Daß Oskar Lafontaine möglicherweise nach Bonn geht - „nur als Kanzler“, sagt der designierte Kandidat - scheint kein Handicap für die Landtagswahl zu werden. Im Gegenteil. Den gemeinen Saarländer und seine Frau, soweit sie sich in Wahlversammlungen äußern, erfüllt es mit Stolz, daß „einer von uns“ in die höchste Politik strebt.

Wer ist trinkfester?

Daß Oskar gern die Nacht durchmacht und danach trotzdem topfit in die Bütt steigt, weiß jeder. In dem kleinsten Flächenstaat der Republik scheint Trinkfestigkeit zu den vornehmsten Tugenden zu gehören. Kann der zugereiste Barbar da mithalten? Er probiert's. Während Innenminister Schäuble beim Neujahrsempfang für Polizisten in der Saarlandhalle in sein Mineralwasser stiert, hat der Bundesumweltminister schon zwei Glas Wein gezischt. Wenige Stunden später, in einem Dorfgasthof, beklagt er sich laut über das Wasserglas am Rednerpult, verlangt nach Bier. Als Krönung der Veranstaltung sticht er ein Faß Gerstensaft an.

Ein Bier nach dem anderen zapfend, macht sich Töpfer hinter der Theke nicht schlecht. Sympathischer jedenfalls als der wortlos Autogramme kritzelnde Konkurrent am Ende seiner Wahlveranstaltung. An Personenkult erinnern dabei die hektisch geschossenen Polaroidfotos, die Lafontaines persönlicher Referent den Unterschriftenjägern in die Hand drückt. Sicher, auch Töpfer verteilt am Info-Stand Postkarten mit seinem Konterfei. Aber seine „Volksnähe“ wirkt nicht so manieriert wie die von Lafontaine. Es klingt glaubwürdig, wenn er zu Sohn Peter (19) auf dem Weg zur Versammlung vor einem Kneipenfenster, hinter dem vier Männer sitzen, sagt: „Oh, das wird heute keine Großveranstaltung. Na mein Sohn, dann spielen wir heute abend mal wieder Skat.“ Daraus wurde nichts, das „richtige“ Lokal lag drei Häuser weiter. Nach diesem Abend war wieder ein Tag geschafft. Der wievielte von den 66 geplanten Auftritten das war, wußte Töpfer nicht. „Ich zähle nur die Tage, die ich schon geschafft habe. Es bleiben noch derer 17“, hatte er im Fond des Wagens geseufzt. Ein Kandidat, der mutmaßt, daß er verloren hat.

Die Grünen hoffen auf den Flop Jo Leinen

So personenorientiert der Wahlkampf ist, ihr zweitbestes Zugpferd von 1985 halten die Sozis jetzt im Stall. Lafontaine kommt der Name seines Umweltministers, Josef Leinen, nicht über die Lippen. Dessen fade Politik, die im Gegensatz steht zu verschiedenen Wahlversprechen der Sozialdemokraten, ist die offene Flanke, in die die CDU, mehr noch die Grünen hineinstoßen. Besonders eine umstrittene, vor Jahren auch von den Genossen bekämpfte und jetzt von ihnen für notwendig erklärte Müllverbrennungsanlage steht für eine „Umweltbilanz gleich Null“ (CDU) oder den „Öko-Bluff“ (Grüne) der Regierung. Lafontaine räumt „Schwierigkeiten in der Abfallbeseitigungspolitik“ ein, schiebt das Problem aber auf das „Sankt-Florians-Denken“ der BürgerInnen.

Zwar setzen die Grünen auf Stimmengewinne aus den von Leinen insgesamt enttäuschten Umweltverbänden. Doch die grüne Spitzenkandidatin Nanette Koch fand keine überzeugende Antwort auf die Lösung des Müllproblems in der Fernsehdiskussion. Ihre Hinweise auf Alternativen zur Müllverbrennung blieben ebenso allgemein wie die schriftlichen, professionell gestalteten Andeutungen der Partei. Bislang haben die Grünen ihr „zentrales Thema“ nicht zum öffentlichen Thema machen können.

In Kreisen der knapp 40.000 GenossInnen hält man die aktiven Grünen für „lieb, aufrecht, nett, aber ein bißchen inkompetent“. Das ist den 700 Grünen wurscht. Sie halten sich und ihren Kandidaten für den Umweltministerposten in der von ihnen angebotenen Koalition für fähig. „Der Wahlkampf läuft gut und macht Spaß“, so Pressesprecher Uwe Grieger, dessen „Zeitrechnung erst mal nur bis zum 28.Januar geht“.