Springer-TV: Lizenz gekillt

■ Das Aufsichtsgremium für den Privatfunk entzog dem Privatsender SAT1 die Lizenz für die terrestrische Ausstrahlung in Berlin zum 30. Juni 1990 / Der Kabelrat räumte aber nochmals Gnadenfrist bis April ein

Das Springerfernsehen SAT1 darf seine Spielfilme und Serien ab 30. Juni nicht mehr über Antenne abspulen. Der Kabelrat, das Aufsichtsgremium für den privaten Rundfunk, entzog dem Kommerzsender am Wochende die Lizenz für den terrestrischen Kanal 25. Vom Widerruf der Sendeerlaubnis nicht betroffen sind RIAS TV und das Joint-venture von SAT1 und Schamoni „Wir in Berlin“, die ebenfalls auf diesem Kanal senden. Auch die Ausstrahlung von SAT1 im Kabelnetz ist nicht berührt. Wie der Kabelrat mitteilte, wurde die Lizenz entzogen, weil SAT1 wirtschaftliche Zusagen nicht eingehalten hat, die bei der Vergabe der Lizenz 1986 vereinbart wurden.

Die Springer-Leute hatten damals versprochen Berlin zum Haupt-Produktionsstandort des Senders zu machen. Nach Meinung des Kabelrats hat SAT1 diese Zusagen, mit denen der Mitkonkurrent RTLplus (Bertelsmann) ausgestochen wurde, nur in sehr geringem Umfang eingehalten. SAT1 widme sich in Berlin „im Schwerpunkt nicht der überregionalen Produktion, sondern der regionalen“. Außerdem hatte SAT1 im Herbst letzten Jahres angekündigt, in Hamburg ein „Produktionszentrum“ mit rund 250 Arbeitsplätzen zu errichten und die der Zentrale in Mainz zu erweitern. Der stellvertretende Vorsitzende des Kabelrats Hermann Meyn sagte, daß SAT1 aber noch eine Frist bis Ende April 1990 eingeräumt werde, „um noch in letzter Minute nachbessern zu können“. Laut Kabelrat ist mit der Öffnung der Grenzen einen neue Situation eingetreten, die den Springersender vielleicht bewegen könne den Standort Berlin nun doch als „Hauptsitz“ (wohl so ganzdeutsch-hauptstadtmäßig, d.red.) in Betracht zu ziehen.

Nach Auffassung von SAT1 hat der Sender natürlich alle Zusagen eingehalten. Er berief sich darauf „daß die in Mainz und Hamburg geplanten Baumaßnahmen zu Mißverständnissen und Fehlinterpretationen geführt“ hätten. Keines dieser Projekte berühre das Engagement des Senders in Berlin. Vielmehr sei „1989 das entscheidende Jahr der Investitionen“ gewesen.

Genau diese Mär hatten auch die Springerblätter der Stadt, SAT1 und Schamoni in einer Kampagne während der letzten Wochen vor der Kabelratsentscheidung verbreitet. Dabei war allerdings in Wort oder Bild überwiegend von neuen Büromöbeln die Rede gewesen. SAT1-Geschäftsführer Jürgen Doetz kündigte am Wochenende vor der Presse „rechtliche Schritte “ gegen die Kabelratsentscheidung an.

Senat gegen RIAS

bundesweit

Der Senat hat sich gegen Pläne des aus Washington und Bonn staatsfinanzierten RIAS gewendet, sein Programm demnächst auch in die BRD auszustrahlen. Der AL-SPD-Senat billige die Absichten des früheren CDU-Senats nicht, „unter Ausnutzung des Status von Berlin einen dritte Bundesrundfunkanstalt (neben Deutschlandfunk und Deutscher Welle, d.red.) einzurichten“. Wie Senatsprecherin Ingvild Kiele weiter erklärte, habe der neue Senat das entsprechende Schreiben des Ex-Regierenden Diepgen an seinen Parteifreund Helmut Kohl „ausdrücklich widerrufen. Der neue RIAS-Chef Helmut Drück hatte bei seiner Amtseinführung am Freitag den „frequenttechnischen Sprung“ in die BRD angekündigt.

kotte/dpa