Männerbund mit Frauenquote

■ Die Grünen sind nie eine feministische Partei gewesen - trotz ihres frauenfreundlichen Anstriches

Regina Michalik

Doch, sie haben sich gemacht, diese Grünen. Wer hätte überhaupt gedacht, daß er so lange - immerhin zehn Jahre durchhalten würde, dieser einst kunterbunte Haufen, dem sich alle möglichen Gruppen zugehörig fühlten: Natur- und Umweltschutzbewegung wie Arbeiterbewegung, Lebensschutzverbände und christliche Initiativen wie Frauenbewegung - so stand es zumindest im Programm. Die Widersprüche waren angelegt, gerade auch bezüglich der Frauenpolitik. Die Partei entwickelte sich, wurde klarer und konkreter, auch und gerade in ihrem „Frauenprogramm“. Aber eine feministische Partei? Wer das jemals geglaubt oder nur gehofft hat, ist wohl ihren Wunschträumen erlegen. Von Masseneintritten, weder von Frauen noch gar von Feministinnen, war nie zu hören.

Gut, die Partei entwickelte mit der Zeit einen feministischen Anstrich. Sie ist die einzige, in der Frauen das Recht auf die Hälfte aller Ämter und Mandate haben, die einzige, die sich so etwas wie die GAL-Frauenfraktion in Hamburg leistete oder das Feminat in Bonn, die einzige, die auch mal eine Frau in die „Elefantenrunde“ schickte. So gering unterm Strich auch der reale Nutzen (mehr Geld, Rechte, Freiräume) für Frauen war, die Grünen setzten die anderen Parteien unter Zugzwang; sie sowie Verbände, Gewerkschaften und Institutionen mußten sich etwas einfallen lassen zur sogenannten Frauenfrage. Sicher, der Motor war die autonome Frauenbewegung. Aber die Grünen dienten zumindest als laute Hupe im öffentlichen Politikverkehr. Ohne die grünen Feministinnen wäre es wohl nicht so schnell gegangen, daß Quotierung kein anrüchiges Wort mehr ist, daß zumindest Frauenförderpläne in einigen Bereichen existieren, daß Gewalt gegen Frauen und Mädchen als gesellschaftliches Problem gesehen wird.

Für feministische Politik haben zumindest die Feministinnen in der Partei das nie gehalten. Damit glaubten wir ja, erst beginnen zu können, wenn wir die materiellen Voraussetzungen dafür geschaffen hätten: Quotierung, Frauenreferate, Frauenstatut, ein gutes Programm. Der Apparat aber war schneller: Die zunächst lockeren Parteistrukturen wurden rasch zu abgesteckten Machtterrains, in die frau nur unter Beachtung der strengen Regeln informeller Hierarchien, der Nutzung von Seilschaften, des Sich-verdient-Machens eindringen konnte: Männerbünde mit verordneter Frauenquote.

Auch politisch paßte eine radikale Frauenpolitik nach und nach nicht mehr ins Programm. Zwar waren anfangs noch mit einem feministischen Touch Wählerinnen zu fangen und damit Wahlerfolge zu erzielen wie beispielsweise 1983 bei der Bundestagswahl mit dem Antidiskriminierungsgesetz und den quotierten KandidatInnenlisten; dann aber lernten die anderen Parteien, sogenannte Fraueninteressen zu vermarkten: nicht so radikal und anstößig wie die Grünen, dafür aber um so wirksamer bei der Masse der Frauen. Denn eigentlich war und ist Feminismus ja gesellschaftlich nie gefragt, kreist das Interesse der großen Masse der Wählerinnen zunehmend um Kinder, Küche und Karriere.

Also mußte auch die Politik so werden, getreu dem Motto „Was ihr wollt“. In der Frauenpolitik wurde eine neue Orientierung vorgegeben, die hieß „an der Lebensrealität der Frauen orientiert“, die den Begriff „Fraueninteressen“ ersetzen sollte und als die neumodische Übersetzung von Feminismus galt. In anderen politischen Bereichen war der „Wählerwille“ die Maxime, die vor dem „Parteiwillen“ rangierte. Neben falsch verstandener Basisdemokratie war es vor allem taktisches Machtkalkül und politische Umorientierung: durchaus verschiedene Interessen, die sich gelungen in der neuen Strömung des „Aufbruchs“ zusammenfanden. Leider wurde die Herangehensweise dieser Strömung zum Strom: Sie trug viel zur Entpolitisierung der Partei bei: „Streitet euch nicht“ und „Seid integrativ“ waren die neuen Grundsätze, die politische Auseinandersetzungen nahezu unmöglich machten. Andere Wählerschichten sollten angesprochen werden, andere „Mehrheiten“ geschaffen werden. Da paßten solche Begriffe wie „Zwangsheterosexualität“ oder „Prostitution als Beruf“ nicht mehr rein, da verletzte auf einmal die Forderung nach „ersatzloser Streichung des Paragraphen 218 die Gefühle der Wählerinnen“.

Spätestens von da an waren Feministinnen nur noch damit beschäftigt, die alten erkämpften Forderungen zu verteidigen; eine Weiterentwicklung unserer Politik war unmöglich geworden.

Die Strömungen, die nicht gleich nach „anderen, auch konservativen Kreisen“ schielten, starrten aber zumindest auf die SPD. Sie war Hoffnungsträgerin, um endlich aus der Meckerecke der Opposition rein in die „Verantwortung“ zu kommen. Wer nicht gleich die Programme passend machen wollte für den Tag X der grün-roten Koalition, hatte zumindest schon die Verhandlungsmasse im Kopf, auf die dann verzichtet werden sollte. Was das alles ist, sieht frau ja am Beispiel Berlin. Posten sind zu haben, die Überquotierung, das „Feminat“ steht im Fernsehlicht. Inhalte aber verschwinden hinter sogenannten Sachzwängen.

Es ist zu hoffen, daß nach dem (voraussehbaren) Scheitern der Berliner Koalition eine Desillusionierung stattfindet hinsichtlich des Nutzens solcher rechnerischer Macht. Ob hierüber aber wieder eine Politisierung der Grünen wie ihrer SympathisantInnen stattfindet, ist fraglich. Solange der grüne „mainstream“ Politik mit Parlamentspolitik und Macht mit Koalition gleichsetzt, ist linke wie feministische Politik in den Grünen Sisyphusarbeit.

Was danach möglich ist, hängt nicht zuletzt davon ab, inwieweit auch die grünen Feministinnen selbstkritisch Bilanz ziehen und aus ihren Fehlern lernen. Auch wir haben uns zu sehr parteiinternen Sachzwängen angepaßt, unsere Tagesordnungen völlig an der Partei orientiert. Wir hatten, wie gesagt, erst die materielle Grundlage, um feministische Politik zu entwickeln. Aufgezwungene Kämpfe gegen Programm und Parteirevision wie sicher auch die eigene Ratlosigkeit haben uns davon abgehalten. Viele Frauen haben sich angesichts der Situation der Gesamtpartei entschlossen, sich primär als Linke zu engagieren; da Kräfte nun mal begrenzt sind, bedeutete das häufig ein „Nein“ zu feministischer Politik. Hinzu kamen Schwierigkeiten, mit denen wohl alle Frauenzusammenhänge kämpfen: Wir haben nicht gelernt, mit Macht und Konkurrenz untereinander umzugehen. Weil es keine wirklichen kollektiven Diskussions-, Entscheidungs- und Handlungsstrukturen gab, wurde frau zur Einzelkämpferin beziehungsweise blieb es. Wenn Erfolg allein nach Fernsehsekunden und Zeitungszeilen gemessen wird, kämpft frau auch besser allein. Diesen Partei- und Medienmechanismen etwas entgegenzusetzen, erfordert viel Arbeit, kollektive Arbeit - das heißt vor allem die Bereitschaft, sich auf Frauenzusammenhänge einzulassen. Anders als in Frauenprojekten stand am Anfang grün -feministischer Politik jedoch keine gemeinsame Entscheidung, in einer bestimmten Gruppe ein gemeinsames Ziel zusammen zu verfolgen. Wir kamen einzeln, nacheinander, mit unterschiedlichen Vorstellungen. Das macht feministische Politik zusätzlich schwer, wahrscheinlich sogar unmöglich.

Unsere Erfolgsliste war zunächst lang. Aber den entscheidenden Schritt von der Durchsetzung frauenfreundlicher Forderungen zu feministischer Politik haben wir nicht gemacht. Ob dies überhaupt in einer Partei möglich ist, zudem noch in einer gemischten, ist sicher zweifelhaft. Zumindest gehören dazu eine Reihe von unverzichtbaren Bedingungen: kollektive Frauenstrukturen, eine politisierte, auseinandersetzungsbereite Partei, eine kritische WählerInnenschaft. Diese drei Bedingungen waren nicht gegeben und werden sich in den nächsten Jahren auch nicht ergeben. Deshalb ist für mich feministisches Engagement in den Grünen zur Zeit sinnloser Verschleiß.

Regina Michalik trat 1983 bei den Grünen ein. Sie war zunächst Fraktionsangestellte bei Joschka Fischer, dann Beisitzerin im Bundesvorstand, von 1987 bis 1989 dort Sprecherin. Danach hat sie ihr Engagement in der Partei eingestellt.