Trainerwechsel am Arabischen Golf

■ Bernhard Blaut aus Polen ersetzt den Brasilianer Mario Zagalo als Trainer der Vereinigten Arabischen Emirate

Wer einen Bart mit einem anderen tauscht, der verliert beide.“ So lautet die arabische Version der deutschen Weisheit, die Pferde nicht mitten im Strom zu wechseln. Wer gegen solche Erfahrungen handelt, muß schon in einer argen Notlage sein. Offenbar saßen die Fußball-Verantwortlichen in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) in einer solchen Klemme, als sie wenige Tage vor Beginn der Vorbereitungen auf die Endrunde der Weltmeisterschaft in Italien, bei der die Araber in der Gruppe D Gegner der deutschen Nationalmannschaft sind, den brasilianischen Trainer Mario Zagalo in die Wüste schickten und durch den Polen Bernhard Blaut ersetzten.

Ob die Scheichs an der Spitze des nur 3.400 aktive Mitglieder zählenden Emiratsverbandes tatsächlich beide Bärte verlieren, muß die Zukunft zeigen. Die Begründung, Zagalo, der die VAE-Kicker sensationell als Asien-Zweite zur WM-Endrunde geführt hat, habe zu lange Zeit in der Heimat verbracht und damit die Spieler vernachlässigt, klingt jedenfalls fadenscheinig. Er sollte seine Tätigkeit ohnehin erst am Montag wieder aufnehmen. Viel mehr wird wohl am Verbandssitz in Dubai befürchtet, der dreifache Weltmeister Zagalo (1958 und 1962 als Spieler und 1970 als Trainer für Brasilien) könnte mit selbst für die VAE unziemlichen Forderungen sein 25.000-Dollar-Monatssalär aufbessern wollen. Zagalo wollte offenbar wie seine Amateurkicker einen Bonus von umgerechnet 300.000 Mark anstelle der gewährten 80.000-Dollar-Prämie. Es spricht für den Pragmatismus und die Unnachgiebigkeit der Funktionäre, daß sie allen Schwierigkeiten aus dem Wege gingen, um unter dem von seiner Berufung selbst überraschten Blaut, der den Meister von 1989, Sharja Klub, trainiert, die Vorbereitungsphase neu zu beginnen.

Einen Umbruch im System, etwa brasilianische Spielkunst gegen europäische Athletik, wird es dagegen nicht geben. Kontinuität ist auch unter Blaut angesagt, denn weder von der Statur noch vom Spielerischen her sind die Araber kraftprotzende Athleten. „Die Aufgabe bei der Weltmeisterschaft reizt mich sehr. Als erstes werde ich ein vertrauensvolles Klima zur Mannschaft herstellen, als Basis für sportliche Erfolge“, erklärte der 40fache polnische Nationalspieler unmittelbar nach seiner Verpflichtung.

Der Wechsel wurde gerade zum rechten Moment vollzogen, denn schon Anfang der Woche trifft sich der WM-Kader zum ersten Trainingslager. Die VAE treten am 28. Januar in der Hauptstadt Abu Dhabi und am 31. Januar in Sharja gegen Ägypten, einen anderen WM-Teilnehmer, an. Danach sollen die letzten Italien-Fahrer ausgesucht werden. In stärkster Besetzung soll die Auswahl am 5. und 8. Februar gegen Dänemark antreten. In der zweiten März-Hälfte geht das dann endgültig nominierte Team auf eine Europa-Reise. Danach bleiben die WM-Spieler zusammen, während ihre Klubs ohne sie die Meisterschaft austragen.

Sorgen bereitet der Fastenmonat Ramadan vom 27. März bis 29. April. Die Moslems der VAE sind zwar liberal, aber trotzdem tief gläubig. Tagsüber müssen auch die Fußballhelden fasten; sie können also nur nach Einbruch der Dunkelheit trainieren, spielen und sich entsprechend ernähren.

Trotz des plötzlichen Trainerwechsels, der von Zagalo selbst im übrigen bestritten wird („Ich habe keinen Brief bekommen, also bin ich noch Trainer“), herrscht im Lager der WM-Aspiranten Ruhe. Ob Zagalo oder Blaut, die VAE-Kicker haben ein hohes Maß an Selbstvertrauen, ohne sich zu überschätzen. Sie wissen, daß sie sich gegen die Europäer, vor allem gegen die Deutschen, erst zurechtfinden müssen. Man will gut aussehen, ein arabisches Understatement. Insgeheim hoffen manche Emirat-Fans allerdings, daß ihre Amateure durchaus in die David-Rolle schlüpfen könnten wie einst die Glaubensbrüder aus Algerien, Tunesien und Marokko gegen den Fußball-Goliath Deutschland bei früheren Weltmeisterschaften. Zumal der bundesdeutsche Teamchef mit dem Trainerwechsel auch noch seinen letzten Anhaltspunkt verloren hat. „Ich kenne von den Arabern niemanden außer meinen Freund Zagalo“, hatte Franz Beckenbauer nach der WM -Auslosung verraten. Zunächst jedoch muß sich erweisen, daß man am Arabischen Golf nicht beide Bärte verloren hat.

Yousouf Bin Sayeed (dpa)