Wo sind deine Träume geblieben, SPD?

Zum Abschied der DDR-Sozialdemokraten aus dem Oppositionsbündnis  ■ G A S T K O M M E N T A R

In der DDR gibt es wieder eine SPD. Aber die alte Arbeiterpartei ist das nicht. Das ist traurig, aber es kann wohl nicht anders sein. Schlimmer ist, daß diese SPD keine Volkspartei sein wird: Kaum gegründet, hat sie ihr Gesicht vom Volk abgewandt und giert nach Macht. Die Pfarrer und die Dichter wandeln sich zu Funktionären; wo sind eure Träume geblieben, Freunde? Eure Augen beginnen stumpf zu werden, eure Gesichter schlaff. Ihr seid besoffen von der Macht, von der ihr kostet.

In der DDR gibt es wieder eine SPD. Aber die wird der anderen zum Verwechseln ähnlich. Anpassung ist programmiert, in der Sprache, in den Ritualen, im politischen Design. Die Ammen strömen zuhauf ins Land, die die künftigen Volkstribunen säugen. Sind vierzig Jahre eigener Geschichte so bald vergessen? Ich dachte, es ginge um ein besseres Land, um neue Hoffnung. Der alte Mantel, den ihr anzieht, Freunde, paßt doch gar nicht. Er ist zu eng für die Schritte, die ihr tun müßt, und er ist zu weit. Ihr werdet stolpern.

Wir sind zusammen aufgebrochen und wollten den steinigen staubigen Weg gemeinsam gehen. Wir wollten dienen, nicht herrschen. Jetzt kündigt ihr die Seilschaft auf, hebt ab und macht euch aus dem Staub. Das macht die anderen stark, nicht uns. Wir alle müssen Demokratie doch erst lernen. Allein packt ihr es nicht, Freunde. Wenn ihr euch nicht besinnt, werden wir alle im Mai vor dem Trümmerhaufen unserer Hoffnung stehen. Und was die Geraer Stasi-Leute uns zugedacht hatten, werden wir uns selbst angetan haben: Wir werden paralysiert sein, also gelähmt und unfähig zum Handeln für unser Land.

Konrad Weiß, Filmregisseur und Mitbegründer der Oppositionsgruppe Demokratie Jetzt