Tandona-Oberst unter Mordanklage

■ Der Leiter der salvadorianischen Militärakademie und sieben weitere Militärs werden wegen des Massakers im Jesuitenkonvent vor Gericht gestellt / FMLN hält den Prozeß für eine Farce

San Salvador (wps/taz) - Der salvadorianische Präsident Alfredo Cristiani gab am Samstag die Verhaftung eines Oberst und sieben weiterer Armeeangehöriger bekannt. Die Inhaftierten werden beschuldigt, im vergangenen November das Massaker im Jesuitenkonvent der katholischen Universität begangen zu haben, bei dem sechs Jesuitenpriester und zwei Haushaltsangestellte ermordet wurden.

Bei dem verhafteten Oberst handelt es sich um Guillermo Alfredo Benavides Moreno, Leiter der salvadorianischen Militärakademie und bis vor kurzem Chef des Geheimdienstes des Generalstabs. Zum Zeitpunkt des Massakers war Benavides befehlshabender Kommandant über das Stadtgebiet San Salvadors, in dem das Massaker geschah. Neben Benavides sind drei Leutnante, die dem Elite-Bataillon Atlacatl angehören, und vier einfache Soldaten in Arrest. Die Verdächtigen würden vor ein Militärgericht gebracht, kündigte der rechtsextreme Präsident in einer Fernsehansprache an. Damit will Cristiani offenbar Forderungen der USA erfüllen, die ihre Militärhilfe von der Aufklärung des Massakers abhängig machen. Die USA unterstützen das Militär in El Salvador mit rund einer halben Milliarde Dollar jährlich.

Mit der Gefangenennahme Benavides wird zum ersten Mal ein hochrangiger Offizier von offizieller Seite des Mordes angeklagt. Möglicherweise riskiert Cristiani damit einen offenen Bruch mit den Streitkräften. Benavides ist immerhin ein Mitglied der mächtigen „Tandona“, des berüchtigten 35. Jahrgangs der Militärakademie, der alle wichtigen militärischen Entscheidungen in El Salvador trifft.

Die salvadorianische Befreiungsfront FMLN jedoch hält die Inhaftierung für eine Farce: Sie verlangt, daß nicht nur die Ausführenden, sondern die tatsächlichen Auftraggeber des Massakers inhaftiert werden. Nach Vermutungen der FMLN und anderer kritischer Beobachter ist die Leitung der Infantrie und der Finanzpolizei für den Jesuitenmord verantwortlich.

Bis in diese Höhen wolle Cristiani die gerichtliche Untersuchung jedoch nicht vordringen lassen. So werde mit der Inhaftierung des Tandona-Offiziers ein zwar beachtliches, aber letztlich doch verschmerzbares Opfer gebracht, um die US-Unterstützung nicht zu gefährden.

go