Die DDR-SPD stürmt in den Wahlkampf

Als erstes wird das Wahlbündnis der Opposition dem erhofften Wahlsieg geopfert / Bekenntnis zur Wiedervereinigung / Parteivermögen von der SED zurückgefordert  ■  Aus Ost-Berlin Matthias Geis

Zu einem fulminanten Wahlkampfauftakt geriet den DDR -Sozialdemokraten am Wochenende ihre erste Landesdelegiertenkonferenz in Ost-Berlin. Umjubelte Höhepunkte waren die Umbenennung der Partei in „SPD“, das Bekenntnis zur Wiedervereinigung sowie die Auftritte der bundesdeutschen Parteiprominenz. Bei all dem Jubel ließen die Delegierten das bereits beschlossene Wahlbündnis der oppositionellen Gruppierungen platzen. Als einzige „Koalitionsaussage“ wurde die strikte Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der SED verabschiedet.

Vertreter der Opposition äußerten ihre Enttäuschung über den SPD-Beschluß, der für den Wahlkampf lediglich verspricht, „engen Kontakt“ zu den anderen Gruppierungen zu halten und keinen Wahlkampf gegeneinander zu führen. Für die SPD „kommen gemeinsame Wahllisten nicht in Frage“, heißt es in dem Beschluß weiter. Während der Debatte auf der Konferenz wurden lediglich ein „sozialdemokratisches Wahlbündnis“ und die Kandidatur unabhängiger Persönlichkeiten auf den SPD-Listen angeboten. Stephan Bickhardt, Geschäftsführer der Bürgerbewegung Demokratie Jetzt sagte in einem Interview mit der taz (siehe Seite 10), „die Opposition als ein freies Bündnis von Parteien und Bürgerbewegungen“ sei „durch die Entscheidung der SPD faktisch erledigt“.

Die Namensänderung entsprach der Stimmungslage der überwältigenden Mehrheit der Versammlung. Bei der Endabstimmung sprach sich lediglich eine Delegierte dagegen aus. Zuvor hatten Gegner der Namensänderung noch einmal vergeblich ihre Argumente vorgebracht. Sie bezogen sich auf die erfolgreiche Tradition der friedlichen Revolution der letzten Monate und versuchten damit ihre Eigenständigkeit zu betonen, die auch im Namen zum Ausdruck kommen müsse. Doch die Auftritte von Hans-Jochen Vogel, Walter Momper, Johannes Rau und Egon Bahr, die von den Delegierten frenetisch gefeiert wurden, besiegelten die Namensänderung.

Politisches Hauptthema der zweitägigen Konferenz war die Frage der Einheit Deutschlands. Viele Delegierte forderten ein klares Bekenntnis der Partei zur „Einheit der deutschen Nation“, das dann in einer einstimmig gefaßten Erklärung auch verabschiedet wurde. „Ein geeintes Deutschland“ ist künftig Ziel sozialdemokratischer Politik in der DDR. Schritte auf diesem Weg sollten sofort gemacht werden. Vorrangige Aufgabe sei ein Wirtschafts- und Währungsverbund zwischen den beiden Staaten. Alle Schritte müßten jedoch mit dem gesamteuropäischen Einigungsprozeß gekoppelt und von der Zustimmung der Nachbarn abhängig gemacht werden. Die europäischen Grenzen dürften im Zuge des Einigungsprozesses nicht angetastet werden.

Mit dem neuen Parteinamen verbanden die Delegierten auch die Forderung an die SED nach Rückerstattung des nach 1946 vereinnahmten Parteivermögens. Parteichef Vogel versprach den Delegierten, sich für diese Forderung in Gesprächen mit Parteichef Gysi und Ministerpräsident Modrow einzusetzen. Tagesthema Seite 3