Li Peng reist nach Moskau

Igor Rogatschow gibt baldigen Antrittsbesuch des chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng in Moskau bekannt / Die Pekinger schicken mit Li Peng nur die zweite Garde in die Zentrale von Glasnost und Perestroika  ■  Aus Peking Boris Gregor

Pekings Ministerpräsident Li Peng wird in Kürze dem sowjetischen Parteichef Michail Gorbatschow die Aufwartung machen - möglicherweise auf russisch, denn der gelernte Ingenieur ist in Moskau ausgebildet worden, damals, als die Sowjets noch die Rolle des „großen Bruders“ für die Chinesen spielten.

Die Bekanntgabe des kürzlich mit dem stellvertretenden Außenminister Igor Rogatschow vereinbarten Staatsbesuchs kommt zu einem politisch pikanten Zeitpunkt und ist auch auf chinesischer Seite offenbar Ergebnis eines Kompromisses: Ursprünglich sollte Parteichef Jiang Zemin als erster hochrangiger Chinese in die Sowjetunion fahren - so jedenfalls wollten es die Russen.

Doch bei einer Begegnung der Parteichefs wäre auch die Ideologie zur Sprache gekommen, und dies hätte die im vorigen Jahr nach 30jähriger Pause wiederhergestellten Beziehungen möglicherweise beeinträchtigt. Die Genossen sind nämlich mit den Moskauern derzeit nicht zufrieden. Sie geben Gorbatschow die Schuld an der Erosion des Sozialismus in Europa und mithin an der eigenen prekären Lage - er habe mit seiner politischen Reform die Prinzipien des Systems verraten.

Die Ankündigung, Ministerpräsident Li Peng fahre, zeigt jedoch, daß Pekings Funktionäre den neuen alten Partner nicht vergrätzen wollen. Für sie ist es derzeit wichtig, wieder auf der internationalen Bühne mitzuspielen, nach dem Malta-Gipfel zwischen Amerikanern und Russen Chinas Bedeutung als dritte Supermacht zu unterstreichen. Auch nach innen läßt sich solch ein Besuch für eine Partei, deren Ruf seit der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung schwer angeschlagen ist, hervorragend ausschlachten.

Pekings Regierung erhofft sich zudem, daß der Auftritt im Kreml sie bei den osteuropäischen Ex-Brüdern im Sozialismus wieder hoffähig macht, die den Mao-Nachfolgern wegen des 4.Juni gram sind. Überdies nutzt es immer, die Amerikaner, die sich vor einem neuen Peking-Moskau-Bündnis fürchten wie der Teufel das Weihwasser, ein wenig zu erschrecken.

Die Chinesen wollen vor allem aber wirtschaftlich profitieren: Sie planen überzählige Arbeitskräfte nach Sibirien zu schicken und sowjetische Technologie zu kaufen. Die ist für die chinesischen Werktätigen leichter zu bewältigen als manch japanische und amerikanische High-Tech -Apparatur. Außerdem sind die Russen bereit, mit den Chinesen Tauschhandel zu betreiben - Peking muß nicht mit Devisen zahlen, die benötigt werden, um die in diesem Jahr fälligen Kredite der westlichen Banken zurückzuzahlen.

Schon blüht der Grenzhandel, sind Vereinbarungen über neue Eisenbahn- und Fluglinien getroffen. Ein Problem allerdings sind die von den Sowjets vorgeschlagenen vertrauensbildenden Maßnahmen an der 7.000 Kilometer langen Grenze und die gegenseitigen Truppenreduzierungen. Sowjetische Diplomaten in Peking klagen, daß sich Chinas Militärs hartleibig zeigten, die Arbeit in der entsprechenden gemeinsamen Kommission nicht so recht voranschreitet.