CSU spielt Geburtshelfer in Sachsen

Zwei Tage verbrachte die CSU-Landesgruppe in Leipzig / Theo Waigel bemühte sich um ein Wahlbündnis aller rechtskonservativen Gruppierungen / Die Bayern setzen vor allem auf die jüngst gegründete Christlich-Soziale Partei Deutschlands (CSPD)  ■  Aus Leipzig Brigitte Fehrle

Geht es nach dem Wunschdenken des CSU-Vorsitzenden Theo Waigel, war es die Geburtsstunde der „Leipziger Unionsgespräche“. Am Samstag trafen sich unter der Obhut des Bayern und der gesamten CSU-Landesgruppe erstmals Vertreter der rechtskonservativen Parteien der DDR, hauptsächlich aus Thüringen und Sachsen, in Leipzig. Die Bayern wollten rausfinden, über welche Gruppierung sie ihren Geld- und Ideologiesegen ausschütten sollen. Es muß Waigel viel Mühe gekostet haben, die unübersichtlich vielen Parteien und Gruppierungen der DDR, die sich auf die CSU berufen, an einen Tisch zu bringen. Mehr als hundert Gruppen und Einzelpersonen waren geladen. Daß um die runden Tische im Hotel Merkur auch ein Vertreter des „Neuen Forum“ saß, war pluralistischer Schein. Wirklich überraschend aber war, daß sich der Vorsitzende des Demokratischen Aufbruchs, Wolfgang Schnur, so unverhohlen eng an der Seite Waigels zeigte.

Wenn Theo Waigel mit der Absicht nach Leipzig gefahren ist, die Parteien zur Vereinigung zu bewegen, wurde er enttäuscht. Doch immerhin konnte er die Splittergrüppchen dazu bringen, über ein Wahlbündnis nachzudenken. Daß sich die CSU nicht auf eine der Gruppierungen stützen kann und will, wird Waigel spätestens nach dem Leipziger Treffen klar geworden sein.

Hoffnungen setzen die Bayern auf die kürzlich gegründete CSPD, die Christlich-Soziale Partei Deutschlands, und ihren Vorsitzenden, den Pfarrer der Thomas-Gemeinde, Ebeling. Ebelings Herz, das ist eindeutig, schlägt für die CSU. „Der Waigel, der ist schon ein guter Mann“, meint der über 60jährige Pfarrer, er habe auch Hilfe im Wahlkampf versprochen. „Wir brauchen alles“, meint Ebeling, und wünscht sich neben Geld auch „geistige Hilfe“ und daß die CSU eine „väterliche Funktion“ wahrnimmt.

Das Ziel der Einheit Deutschlands steht nicht nur für die CSPD sondern auch für den Privatmann Ebeling ganz oben. „Ich habe drüben mein Vaterland gehabt, und hier meine Heimat“, erklärt er den CSU-Abgeordneten vor den kaputten Häusern der Leipziger Innenstadt und ist sich der mitfühlenden Zustimmung der Bayern sicher. Die sind auch ganz betroffen über die teilweise leerstehenden Häuser, die ihnen der CSPD Vorsitzende während eines Stadtbummels am Nachmittag vorführt. „Vielleicht läuft Ihnen ja eine Ratte über den Weg“, warnt er vor dem Betreten eines Hausflurs. Und dem mitleidigen Entwicklungshilfe-Blick der Bayern gewiß, lenkt er die Aufmerksamkeit auf die Normalitäten seiner Heimat: „Schauen Sie mal diese Blechmülltonnen, daß hier im Hof überhaupt noch Kinder spielen...“ Und weiter zu einem leerstehenden Haus mit kaputten Fensterscheiben: „Das müssen Sie gesehen haben.“ Die CSU-Stadtbummel-Truppe in Loden und Dunkelblau ist sich einig: „Diese Häuser könnten wunderschön aussehen“, es müßte eben bloß Privateigentum geben. Und einer weiß es ganz genau: „Wo ist denn der Unterschied, ob die Häuser dem Staat gehören oder einer privaten westdeutschen Firma.“ Hilfloses Achselzucken bei Pfarrer Ebeling, „wem sagen Sie das“, präsentiert er sich als kompetenter und ideologisch zuverlässiger Partner.

Mit der CSPD soll sich jetzt in der DDR alles ändern, doch dazu braucht man den Westen. Oberstes Ziel der Christen: soziale Marktwirtschaft und Gewerbefreiheit für Handwerker. Die Partei, die nach eigenen Angaben zur Zeit 8.000-12.000 Mitglieder hat, will mit einer Verwaltungsreform die alten Länder Mecklenburg, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen wiederhergestellt wissen. Das gefällt Waigel. Denn daß er davon träumt, die CSU über den Umweg DDR zur Bundespartei zu machen, streitet er zwar vehement ab. Doch es wäre schon allzu selbstlos, hätte nicht auch die CSU eigene parteipolitische Interessen in der DDR. Die CSPD mit dem integeren Pfarrer Ebeling an der Spitze jedenfalls, daraus machte Waigel bislang keinen Hehl, hat die Sympathie aus München. Der Leipziger Pfarrer hat deshalb auch „mit allen Mitteln“ die Gründung einer „CSU Sachsen“ zu verhindern versucht. Ohne Erfolg. Auf grauem Papier mit grüner Schrift warb der Parteivorsitzende Joachim Nowack für die Christlich-Soziale Union Sachsen. Sozial - konservativ demokratisch, soll das Image der Partei sein und zum Ziel hat sie sich plakativ gesetzt: „Aufräumen - Anpacken Zukunft sichern“. Dramatisch wird gefordert „Handeln Sie schnell, wir haben keine Zeit zu verlieren.“ Wieviele, und ob diese Partei überhaupt Mitglieder hat, weiß niemand.

Eines eint die die „C-Parteien“ im konservativen Süden der DDR. Sie wollen in jedem Fall „kein Bündnis mit Linksparteien“. Warum? Ein Elektroingenieur aus Leipzig, der gerade seine Mitgliedsbescheinigung unterschrieben hat: „Bei denen weiß man nie, ob sie nicht doch mit der SED zusammengehen.“

Theo Waigel hat den Zusammenschluß der rechtskonservativen Parteien für die nächsten Wochen schon angekündigt. Nach einem abendlichen Treffen im kleinen Kreis der Ost -Splitterpartei-Vorsitzenden im Salon Leipzig des Hotel Merkur meinte er zuversichtlich, man habe das jetzt „auf den Weg gebracht“. Keinesfalls aber will man sich in einen Konflikt mit der Ost-CDU begeben, betonte der Landesgruppenschef Bötsch überschwenglich.

Was die zersplitterten „C-Parteien“ nun zum Wahlbündnis bewegt, darüber spekuliert der Maurermeister Conrad beim „Abend der Begegnung“ im Restaurant Goldene Krone: „Der Waigel wird gesagt haben, entweder ihr tut euch zusammen, oder ihr kriegt kein Geld.“ Von selber, so glaubt der selbständige Handwerker, kämen die nicht auf die Idee. „Wer erst mal Parteivorsitzender ist, der will das doch nicht mehr aus der Hand geben.“