Wasserwerk Johannisthal vor der Schließung?

■ Trinkwasser in Gefahr: Schadstoffe aus Ost und West bedrohen Trinkwasserbrunnen in Johannisthal / Weit überhöhte PCB-Werte nahe dem Teltowkanal / Wasserwirtschaftler: Schließung des Wasserwerks vielleicht unvermeidlich / Von Schering hinterlassene Gifte mitbeteiligt?

Droht Trinkwasseralarm in Ost-Berlin? Weil Schadstoffe aus Ost und West das Grundwasser im Umkreis der Trinkwasserbrunnen bedroht haben, ist nun zumindest das Treptower Wasserwerk Johannisthal von der Schließung bedroht. „Flächendeckend“ und bis in die unmittelbare Nähe der Trinkwasserbrunnen am Teltowkanal und in der Königsheide sei das Grundwasser stark mit Schadstoffen belastet. So lautet der Befund des Ostberliner Instituts für Wasserwirtschaft, das seit zwei Jahren an einem Gutachten über Johannisthal arbeitet. Überall, das berichteten Institutsmitarbeiter der taz, hätten sie hohe Ammoniumwerte und eine „gravierende“ Belastung durch organische Stoffe nachweisen können.

Der brisanteste Fund der Wasserwirtschaftler: Nahe den Trinkwasserbrunnen am Teltowkanal enthält das Grundwasser giftige Polychlorierte Biphenyle (PCB). Die PCB -Konzentrationen liegen um das zwei- bis dreifache über den von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlenen Grenzwerten, die demnächst auch in der DDR festgeschrieben werden sollen. Zahlreiche weitere Einzeluntersuchungen stehen mangels Analysegeräten noch aus.

Den Anstoß für die Untersuchung hatte eine Altlast in Adlershof gegeben, die der Westberliner Pharmakonzern Schering zumindest zum Teil hinterlassen hat. Schering hatte bis zur Enteignung 1948 in Adlershof ein Werk zur Hormonproduktion betrieben, das heute unter dem Schild der „VEB Berlin-Chemie“ vor allem Insulin herstellt (siehe taz vom 13.Januar). Unter dem Betrieb am Glienicker Weg ist das Grundwasser bis in eine Tiefe von 40 Metern verseucht, zum Beispiel mit heftig stinkenden Mercaptanen. „Berlin-Chemie„ -Mitarbeiter sprechen von einer „ganz üblen Altlast“: In 20 bis 30 Meter Tiefe sei jeder Liter Grundwasser mit einem halben bis ganzen Gramm organischer Stoffe versetzt. „Die ließen die Abwässer einfach in Teichen auf dem Gelände versickern“, beschreiben Insider die Abwasserpraktiken in alten Schering-Zeiten, die auch von der „Berlin-Chemie“ erst Ende der 50er Jahre abgestellt wurden.

Ob sich diese Schadstoffe schon unter das Johannisthaler Trinkwasser gemischt haben, wissen auch die Experten vom Institut für Wasserwirtschaft nicht. Weil das Grundwasser von Adlershof auf Johannisthal zufließt, gilt es den Wasserwirtschaftlern aber als „sicher“, daß es irgendwann soweit sein wird.

Noch größere Sorgen bereitet den Ostberliner Wasserexperten allerdings die Tatsache, daß das gesamte Einzugsgebiet des Wasserwerks so „flächendeckend“ und „diffus“ verseucht ist, daß es unmöglich sein dürfte, die Quellen auszuschalten. Auch West-Berlin ist daran beteiligt. Das Grundwasser, das unter dem Teltowkanal hindurch von Westen nach Osten fließt, ist diesseits der „Staatsgrenze“ zwar deutlich geringer belastet als drüben; für eine ungesunde „Grundlast“ sei damit aber trotzdem gesorgt, meinen die Ostberliner Forscher. Die Wasserwirtschaftler gehen davon aus, daß das Trinkwasser, das aus den Johannisthaler Brunnen in die Haushalte der Hauptstadt gepumpt wird, kaum sauberer ist als das von ihnen neben den Brunnen gezogene „Rohwasser“. „Einige Probleme“ räumte gestern sogar ein hochrangiger Mitarbeiter des „VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung“ gegenüber der taz ein - wenn man die künftig gültigen, an der WHO orientierten Grenzwerte zugrunde lege.

Eine „Auswertung“ der Institutsanalysen stehe kurz bevor, versichert man nun im „VEB Wasserversorgung“ auf taz -Anfrage. Noch verbreiten die Behörden Optimismus. Es werde wohl genügen, „belastete Einzelbrunnen“ vom Wasserwerk abzukoppeln, sagte Eckart Clausnitzer der taz - er ist Direktor der Wasserwirtschaftsdirektion, zu der auch die Staatliche Gewässeraufsicht (SGA) gehört.

Die Institutsexperten sind weniger hoffnungsfroh. Sie vermuten, daß zumindest die Brunnen am Teltowkanal ganz aufgegeben werden müssen - wenn nicht das ganze Wasserwerk, das mit einer Tageskapazität von 85.000 Kubikmetern zu den größeren der Hauptstadt zählt. Das käme die Wasserbehörden hart an. Ausgerechnet am Teltowkanal sind sie nämlich dabei, neue Brunnen zu bohren, die im Sommer ältere Anlagen ersetzen sollen. Speziell die SGA ist daran interessiert, daß diese Investition nicht umsonst war: Für jeden geförderten Liter Wasser kassiert die SGA nämlich Gebühren.

hmt