„Jung, wild und unerfahren“

Ein Gespräch mit Matthias Trunk (21), Andreas John (21) und Jakob Freitag (18), drei der zehn Blattmacher des 'WINKelement‘ / Eine Kulturzeitschrift „von jungen Leuten für junge Leute“ mit Tips aus Ost und West / „Wir wollen nicht, daß die Leute nur zu Bilka und Aldi rennen“  ■ I N T E R V I E W

taz: Ihr habt am 13. Januar die erste Nummer einer Zeitung namens 'WINKelement‘ herausgegeben. Wer seid ihr und was beabsichtigt ihr mit eurer Zeitung?

'WINKelement‘: Wir sind ein Redaktionskollektiv von zehn jungen Leuten. Wir wollen eine Zeitung von jungen Leuten für junge Leute machen. Wir haben uns 'WINKelement‘ genannt, weil Winkelement in der DDR ein historischer Begriff ist. So nannte man die Fähnchen und roten Bänder, die den Berufsjungendlichen bei FDJ-Veranstaltungen in die Hand gedrückt wurden und mit denen man Parteiführern bei politischen Veranstaltungen zuwinkte. Wir begreifen das jetzt als Ironie. Wir wollen ein anspruchsvolles Blatt machen. Noch sind wir das natürlich nicht, wir machen noch zuviele Fehler und haben redaktionelle Schwächen in den Artikeln, sind außerdem nicht aktuell genug, haben noch zu wenig Informationen. Wir suchen noch Arbeiter und andere, die für uns schreiben, damit die Zeitung vielseitig wird.

Ihr begreift euch als linke unabhängige Zeitung. Was heißt links und was heißt unabhängig?

Wir sind unabhängig von Parteien und Organisationen. Wir geben unsere Druckaufträge direkt an die Druckerei, müssen den Auftrag auch selbst bezahlen, müssen für sämtliche Kosten aufkommen, werden uns selber finanzieren. Wir vertreiben unsere Zeitung selber, wir schreiben selbst, wir wollen auch schreiben lassen, aber wir bestimmen, was ins Blatt kommt.

Euer Redaktionskollektiv hat sich ja eben erst gefunden. Wie ist die Stimmung in der Redaktion?

Wir sind alle enthusiastisch. Wir sind wirklich zehn Verrückte, zehn Irre. Mehr als jung, wild und unerfahren sind wir nicht. Keiner kann bei uns mit der Technik umgehen, dieses Defizit können wir nur durch Enthusiasmus wettmachen. Natürlich wird bei uns hart gestritten in der Redaktion, aber das macht auch Spaß. Wir versuchen, so demokratisch wie möglich zu entscheiden, welche Artikel abgedruckt werden sollen und welche nicht. Das gibt auch mal Ärger, so neulich: Da kamen welche aus der Potsdamer Antifa mit einem Flugblatt aus Kreuzberg. Das sollten wir abdrucken, es ging um Boykott von Früchten aus Südafrika und Chile und noch alles mögliche. Da haben wir nur die Augen verdreht: Was sollen wir denn boykottieren?

Jung und unabhängig zu sein ist ja noch kein Programm. Welche Schwerpunkte wollt ihr setzen? Ihr wollt ja alle 14 Tage erscheinen.

Ja, wie gesagt, in erster Linie wollen wir für Jugendliche berichten. Wir wollen viel Kulturinformationen bringen, weil es da für junge Leute in der DDR und Potsdam ein ungeheures Informationsdefizit gibt. Zum Beispiel bringt das Kino Potsdamer Film-Museum wirklich traumhafte Filme, das ist eigentlich das beste Kino in der DDR, dort kann man alle Weltkunstfilme sehen - aber es geht keiner rein, weil keiner weiß, was das für Filme sind und wer die gemacht hat. Auch über das Kulturprogramm in West-Berlin wollen wir berichten, weil uns das nervt, daß nur zu Bilka und Aldi gerannt wird. Wir wollen halt sagen, Leute, geht ins Gripstheater und guckt euch für zehn Mark Ab heute heißt Du Sarah an.

Ihr habt eure Zeitung ganz kurzfristig geplant, ihr habt sie ganz kurzfristig gemacht, ihr ward selbst überrascht, daß sie schon am Samstag erschienen ist, wie kam sie beim Straßenverkauf an?

Wir haben die Zeitung durch Zeitungsjungen- und -mädchen verkauft. Wir haben einfach Jugendliche in einem Neubauviertel gefragt, ob sie nicht Lust haben, die Zeitung zu verteilen, sie würden dafür zehn Pfennig Provision pro Nummer erhalten. Viele waren davon begeistert, weil bei denen der Frust am größten ist. Wir haben die Zeitung auch selber in der Fußgängerzone von Potsdam verkauft und haben gesehen, daß man uns die Zeitung förmlich aus der Hand gerissen hat. Wir hoffen, daß diese Solidarität erhalten bleibt, auch über die nächste Nummer hinaus.

Ihr arbeitet unter erheblichen technischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Was erhofft ihr euch von uns als taz und unseren Lesern?

Wenn ein Journalist auf die Idee käme, unsere Zeitung zu lesen, und sie vielleicht ganz amüsant findet und er vielleicht mal das Bedürfnis verspürt, für uns was zu schreiben, und nichts dafür haben möchte, wir nehmen es. Außerdem haben wir unsere ganze Ausrüstung zusammengeborgt, haben keine Schreibmaschine, kein Aufnahmegerät, keinerlei Büroausrüstung. Sowas hätten wir gerne.

Interview: ak