Humboldt-Uni halboffen

■ Gasthörer aus West-Berlin müssen Gebühren zahlen / Zahllose Initiativen der Fachbereiche und Institute mit Ost-Berlin / Bonn: BAFöG-Änderung ist ungewiß

Die derzeit an den Westberliner Hochschulen allerorten anlaufende Kooperation mit der Humboldt-Universität in Ost -Berlin (HUB) und anderen Institutionen darf keine Einbahnstraße werden: Das betonte gestern nochmals Wissenschaftsstaatssekretär Kremendahl vor dem Wissenschaftsausschuß des Abgeordnetenhauses. Unproblematisch sei der Dozentenaustausch in beiden Richtungen, schwieriger dagegen der studentische. Während im Ostteil der Stadt für Gasthörer Gebühren erhoben werden, soll auf westlicher Seite zumindest für diesen Status kein Geld verlangt werden.

Die Tore der Humboldt Universität sind für Westberliner Studenten seit Freitag ein wenig weiter geöffnet als bisher. Wie die taz bereits gemeldet hat, können West-StudentInnen jetzt auf Antrag als Gasthörer zugelassen werden, allerdings gegen Gebühren: Belegt man bis zu neun Wochenstunden pro Semester, müssen dafür 60 Mark pro Semester oder 10 Mark pro Monat bezahlt werden - in West-Währung. Mehr als neun Stunden pro Woche kosten wöchentlich 10 Mark, teilte die HUB in einem Merkblatt mit. Die Zulassung erfolgt jeweils für ein Semester, man darf nur an den festgelegten Lehrveranstaltungen teilnehmen und weitere „Einrichtungen nutzen, die unmittelbar mit der Gasthörerschaft verbunden sind“. Gasthörer können künftig auch in den von ihnen belegten Veranstaltungen Prüfungen ablegen, und zwar gegen eine Gebühr von 50 Mark. Zwischen den Sektionen der HUB und den Westberliner Hochschulen können jetzt auch sogenannte Teilstudiengänge vereinbart werden, das heißt, wer zwei Fächer studiert, kann eines drüben absolvieren. Ein Vollstudium ist immer noch nur auf kommerzieller Basis möglich. Die Studienplätze in der gesamten DDR sind streng kontingentiert und wurden bisher dem „gesellschaftlichen Bedarf“ entsprechend verteilt. Für ein Semester Ost-Studium sind derzeit für West-StudentInnen immerhin bis zu 8.000 Dollar auf den Tisch des Exportbüros der HUB hinzulegen.

Die Bibliotheken der HUB können auch von Westberliner StudentInnen unentgeltlich benutzt werden, sofern man keine Bücher ausleihen will. Bei der jeweiligen Bibliotheksaufsicht erhält man eine „Tagesleseberechtigung“. Die Ausleihe von Büchern ist nur über Fernleihe aus West -Berlin möglich.

An vielen Instituten der Berliner Hochschulen wurden meist auf studentische Initiative bereits in den Tagen nach der Maueröffnung zahlreiche Kontakte nach Osten geknüpft, die mittlerweile intensiviert wurden. An einzelnen Fachbereichen der FU, allen voran bei den Politologen und den Wirtschaftswissenschaftlern, aber auch bei den Germanisten und den Historikern, laufen auf halboffizieller Ebene bereits zahlreiche Projekte und Initiativen in Richtung Kooperation. So werden sich StudentInnen und WissenschaftlerInnen des Otto-Suhr-Instituts am kommenden Samstag zum zweiten Mal in großem Rahmen mit KollegInnen von der Hochschule für Ökonomie treffen. Die Historiker der FU tauschen Doktoranden mit der Sektion für Geschichte aus, bei den Wirtschaftswissenschaftlern wird im nächsten Semester ein regelmäßiges Colloquium in beiden Teilen den Stadt stattfinden.

Schwerer tut sich dagegen die Bürokratie auf allen Ebenen, die eine Vielzahl von neuaufgetauchten Problemen lösen muß. Angefangen von der BAFöG-Regelung über die Anerkennung von Studienleistungen bis zur Zulassung und Verteilung von StudentInnen zu begehrten Fächern wie Medizin besteht „erhöhter Regelungsbedarf“, wie auch Kremendahl gestern wieder feststellte. Das Land Berlin habe vor Weihnachten einen Vorstoß in Bonn unternommen, um eine baldige Änderung des BAFöG zu erreichen. Nach der derzeitigen Gesetzeslage haben Studenten, die in Ost-Berlin wohnen und in West-Berlin zu einem Vollstudium immatrikuliert sind - und dies wird im nächsten Semester möglich sein -'einen Anspruch auf Förderung durch BAFÖG, da sie Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind. Dieses Gesetz sei wie andere aus dem Bereich der Sozialgesetzgebung für eine andere Situation gemacht worden und müsse geändert werden, um Benachteiligungen gegenüber den westlichen Kommilitonen auszuschließen, so die übereinstimmende Meinung von Kremendahl und seiner Senatorin Riedmüller. „Bei entsprechenden Umtauschkursen gehören BAFöG-Empfänger dann in Ost-Berlin zu den Spitzenverdienern.“

Auch in Bonn ist man sich des Problems bewußt, wertet dort Riedmüllers Vorstoß allerdings nur als einen unter vielen. Wie Oberregierungsrat Trebes aus dem Ministerium für Bildung und Wissenschaft auf Anfrage der taz mitteilte, gebe es verschiedene Überlegungen zu einer Novellierung des BAFÖG, die derzeit allesamt geprüft werden. Ob es tatsächlich zu einer Änderung des Gesetzes kommt, ist aber völlig unklar. Im Gespräch ist offensichtlich eine Lösung, die vorsieht, einen Teil der Förderung in Ost-Mark über die Staatsbank der DDR auszuzahlen. Es werde aber auch überlegt, den Förderungsanspruch zu reduzieren. Den Wohnort zum Kriterium der Förderung zu machen dürfte wohl kaum eine Lösung sein, da dadurch der Übersiedlerdruck steigen würde. Daß dies auf keinen Fall geschehen darf, darin sind sich mittlerweile Bildungspolitiker jeglicher Couleur einig.

kd