Dicke Luft für Umweltminister Leinen

Wird die Saar-SPD ihren blassen Umweltminister in den Bundestag schleusen? / Mit seiner wachsweichen Ökopolitik ist kein Staat mehr zu machen / CDU-Kandidat Töpfer kippt AKW-Gegner in der Saar-CDU  ■  Von Joachim Weidemann

Saarbrücken (taz) - Um Jo Leinen ist es ruhig geworden. Der Umweltminister des Saarlandes verblaßte in den letzten fünf Jahren zusehends. Nur Umweltaffären und Untersuchungsausschüsse - hier ein Fischsterben, dort ein Abwasserskandal - brachten ihn über das Saarland hinaus in die Schlagzeilen. Aus dem Bund der Bürgerinitiativen für Umweltschutz (BBU) war er 1985 angetreten, die Umwelt zu verteidigen. Damit vermasselte er an der Seite Oskar Lafontaines damals den Einzug der Grünen in den Landtag.

Heute geben weder Umweltschützer aus dem BBU noch aus dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) noch einen Pfifferling auf Leinens Wahlversprechen. An Leinen zeige sich eben, so BBU-Mitglieder, wie sehr sich Theorie und Praxis, Forderung und Umsetzung in der Umweltpolitik unterschieden. Der saarländische BUND-Vorständler Stefan Bossmann sieht's mit Ironie: „Leinen kann ja für den Bundestag kandidieren - und künftig als umweltpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion wieder 'theoretischen Umweltschutz‘ betreiben.“

Leinen nach Bonn? Der SPD-Unterbezirk Saarbrücken-Land erwägt durchaus, so einige Sozis, den angeschlagenen Umweltminister im Mai für die Bundestagswahlen zu nominieren - für den ausscheidenden Genossen Alwin Brück. Doch wer kommt, wenn Leinen Leine zieht? Oskar Lafontaine versprach, mehr Frauen ins Kabinett zu holen. Für den Posten einer Umweltministerin sind zwei Namen im Umlauf: die bisherige Umweltvizeministerin Ulla Girsch und die aufstrebende Umweltdezernentin der Stadt Saarbrücken, Christiane Krajewski.

Leinen selbst behauptet, er stehe noch für die nächste Legislaturperiode zur Verfügung. Aber das heißt ja nicht, daß Lafontaine ihn auch haben will. Carlo Weber, Pressesprecher des SPD-Landesverbands, läßt sich nicht auf Spekulationen ein. Das Kabinett, wiegelt er ab, werde erst nach der Wahl zusammengestellt. Bezeichnend scheint es, daß Lafontaine über den „ökologischen Umbau der Industriegesellschaft“ redet, ohne seinen Ökologie-Minister zu erwähnen. Und peinlich wird's, wenn Umweltverbände monieren: „Da hat sogar unser Wirtschaftsminister mehr für die Umwelt getan als Leinen.“

Nur zu gut erinnert sich Barbara Deubel vom BUND an zwei gebrochene Wahlversprechen Leinens: „Keine Müllverbrennung und kein Ausbau der Saar“. Doch die Saarkanalisierung schreitet voran, und in Velsen soll jetzt ein Abfallzentrum entstehen, in dem Müll ebenso deponiert wie verbrannt würde.

Glaubt man dem BUND, so vermeiden SPD, CDU und FDP derzeit tunlichst Diskussionen mit Umweltverbänden. Stefan Bossmann: „Nur die Grünen halten Kontakt zu uns und haben sich unsere Forderungen zu eigen gemacht.“ Noch aber liegt das Umweltressort fest in SPD-Händen. Auch wenn Leinens Sündenregister in den Augen der Umweltverbände ziemlich umfangreich ist:

-Leinen weise zwar ständig neue Naturschutzgebiete aus. Das aber geschehe planlos, und zugleich werde andernorts die Natur durch neue Autobahnen, Schnelltrassen und Straßen zurückgedrängt.

-Zwar plane Leinen seit Jahren eine „Öko-Mülltonne“ sowie ein neues System für Müllgebühren, in dem Müllvermeidung belohnt wird. Doch die Realisierung laufe viel zu langsam an. Leinen fehle es dabei an Durchsetzungsvermögen gegenüber dem trägen Abfallverband der Kommunen (KABV), in dem 52 BürgermeisterInnen sitzen.

-Zwar fördere das Saarland inzwischen ansatzweise alternativen Landbau. Doch auch dies nur halbherzig: So stehe im Entwurf zum neuen Naturschutzgesetz der Satz, die normale „Landwirtschaft dient dem Naturschutz“, obwohl Dünger und Pestizide eher das Gegenteil bewirkten.

-Was sich Leinen auf die reinere Luft im Saarland zugutehalte, so ein CDU-Mann, sei nichts als Effekthascherei. Denn die Industrie an der Saar entschwefele ihre Abgase nicht wegen eines Leinen-Erlasses, sondern aufgrund der Bundesverordnung über Großfeuerungsanlagen.

Für Leinen ist die Luft im Saarland sehr dick geworden. Da nützt es ihm wenig, Mitglied im BUND zu sein. Das nämlich bringt auch ein Klaus Töpfer fertig. Es schickt sich eben. Denn 82 Prozent der SaarländerInnen halten laut Infas-Studie die Umwelt für das wichtigste aller Themen. Selbst die Arbeitslosigkeit rangiert nur auf Platz zwei.

So ist es sicher kein Zufall, daß die CDU Töpfer ins Rennen schickt statt ihres Landeschefs Peter Jacoby, den außerhalb des Saarlands kaum einer kennt. Töpfer räumte kräftig auf und schickte neun Landtagsabgeordnete auf die Rentnerbank. Doch hinter dem Vorwand einer Verjüngungskur befreit sich der Atomminister zugleich von unliebsamen Querköpfen: etwa von Berthold Budell und andere AKW-Gegnern in den eigenen Reihen.