Gen-Gesetz im Eilgang

■ Wegen labiler Bundesratsmehhreit versucht die Regierung das Gentechnik-Gesetz in einem Parforceritt durchzusetzen

Bonn (taz) - Mit einer dreitägigen Expertenanhörung setzt die Bundesregierung heute ihren „Parforceritt durch das Gesetzgebungsverfahren“ (Grüne) fort, um ein Gentechnikgesetz bis zum 11. Mai im Bundesrat verabschieden zu können. Die unziemliche Eile hat guten Grund: Nur zwei Tage später wird in Niedersachsen gewählt. Und danach ist möglicherweise die Ein-Stimmen-Mehrheit der Unionsländer im Bundesrat dahin.

Daß bei dem Schnellverfahren der Schutz der Bevölkerung auf der Strecke bleibt, befürchten nicht nur die Oppositionsparteien SPD und Grüne, sondern auch eine große Anzahl von Umwelt- und Verbraucherverbänden bis hin zum Deutschen Gewerkschaftsbund. Der Gewerkschaftsverband, in dem nur die IG Chemie für die Gentechnik eintritt, verlangt vor allem ein Verbot der Genomanalyse mit deren Möglichkeiten, genetisch besonders belastbare Arbeitnehmer für gefährliche Arbeitsplätze auszuwählen.

Jahrelang hatte sich die Bundesregierung mit einem Gesetzesentwurf Zeit gelassen. Erst als im November letzten Jahres der hessische Verwaltungsgerichtshof eine gentechnische Produktionsanlage wegen fehlender gesetzlicher Regelungen stoppte, machte die Bundesregierung Dampf. Wenige Tage nach dem Urteil lag der Gesetzentwurf zur ersten Lesung vor, und nach der Anhörung werden die Ausschüsse bis Mitte März zustimmen, damit der Gesetzestext Ende März verabschiedet werden kann.

Der Vorsitzende der Enquete-Kommission Gentechnik, Wolf -Michael Catenhusen (SPD), sieht angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag wenig Chancen, den Regierungszeitplan zu verändern. Nicht den Schutz vor den Gefahren der Gentechnik habe die Bundesregierung im Blick, sondern die Förderung dieser Technologie. Catenhusen, der die Gentechnologie für notwendig hält, bemängelt die Öffentlichkeitsbeteiligung, die fehlende Anpassung an das EG -Recht und ungenügende Haftungsrechte.

Die Grünen, die den Einsatz der Gentechnologie grundsätzlich ablehnen, machen darüber hinaus verfassungsmäßige Bedenken geltend. Die vorgesehene Verlagerung von Entscheidungskompetenzen von den Ländern auf den Bund macht nach Meinung der Grünen eine Verfassungsänderung notwendig. „Leerstellen“ im Gesetz, die erst noch der nachträglichen Auffüllung durch rund 30 Rechtsverordnungen bedürften, seien ebenso ein Verstoß gegen die Verfassung. Allerdings: Klagen dieser Art können erst nach Verabschiedung des Gesetzes beim Bundesverfassungsgericht eingebracht werden.

Gerd Nowakowski