: Kadaverfett nach Gutsherrenart
■ Verbraucherinitiative: Fett aus toten Tieren möglicherweise zu Lebensmitteln verarbeitet
Berlin (taz) - Unbekannte Mengen Fett aus bundesdeutschen Tierkadavern sind möglicherweise zu Suppen, Süßwaren, Speiseeis und anderen Leckereien verarbeitet worden. Dies hat gestern die Bonner Verbraucherinitiative in einer Pressekonferenz aufgedeckt. Dazu legte sie ein Schreiben des Bayerischen Innenministeriums an das Bonner Gesundheitsministerium vor, in dem auf den Verdacht der illegalen Verarbeitung des Kadaverfetts hingewiesen wird. Das Bonner Ministerium, das die Informationen bisher unter der Decke gehalten hat, bestätigte den Verdacht. Es sei allerdings noch kein Fall einer Verarbeitung zu Lebensmitteln bekannt geworden, funkte das aufgeschreckte Ministerium aus dem Bonner Bunker.
Kadaverfett wird, wie die Verbraucherinitiative recherchierte, mit Hilfe chemischer Lösemitteln in Abdeckereien aus verendeten und totgeborenen Tieren gewonnen. Dieses Fett darf nur zu industriellen Zwecken, etwa zur Herstellung von Schmierölen, verwendet werden. Doch es gibt Anhaltspunkte dafür, daß genau dieses Verbot umgangen wurde. Schon am 8.November hatte das bayerische Innenministerium dies der Bonner Gesundheitsministerin Ursula Lehr mitgeteilt. Nach den Ermittlungen der bayerischen Behörden ist Kadaverfett aus bundesdeutschen Abdeckereien in Tanklastzügen abtransportiert worden, die die Aufschrift „Nur für Lebensmittel“ trugen. Sogar die KFZ -Kennzeichen dieser verdächtigen Transporte wurden notiert. Ihr Ziel: Frankreich, Spanien, Belgien und die Niederlande. In dem Brief an Ministerin Lehr heißt es dazu: „Diese Umstände lassen zumindest den Verdacht zu, daß diese Fette im Ausland wieder als Lebensmittel in den Verkehr kommen.“
Gerd Billen von der Bonner Verbraucherinitiative hat aus seiner Kenntnis der modernen Lebensmittelverarbeitung konkrete Ideen, wo das Fett der toten Tiere abgeblieben sein könnte: „Die Vorstellung, daß vergiftete Robben aus der Nordsee, Hormonkälber, Hunde oder Katzen in Fertigsuppen, Frühlingsrollen oder Speiseeis landen, kann nur Ekel und Abscheu erregen.“
Ekel hin, Abscheu her: die Preisdifferenz zwischen Kadaverfett (laut Verbraucherinitiative 52 DM/Kilo) und Lebensmittelfett aus Schlachtereien (75 DM) ist für die Branche allemal attraktiv. Aufgrund der chemischen Bearbeitung seien Handel und Industrie ohnehin nicht in der Lage, den inkriminierten Rohstoff nachzuweisen. Der Verbraucher ist nach der Bearbeitung und dank etlicher Aromastoffe ohnehin überfordert. Er muß essen, was auf den Tisch kommt.
Für das Bonner Gesundheitsministerium zeigt der „aufgedeckte Verstoß“ zuallererst, daß „die amtliche Bewachung funktioniert“. Ansonsten seien die Zielländer um Amtshilfe gebeten worden, um den Verbleib der „technischen Fette“ aufzuklären. Der Zoll wurde „um verstärkte Kontrollen gebeten“.
Manfred Kriener
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