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Tornado-Nachfolger „Jäger 90“ vor dem Absturz

■ FDP-Vorstand fordert Ausstieg aus dem Milliardenprojekt, Wehrdienstverkürzung und weniger Soldaten / Die SPD will die Vorschläge der Liberalen im Bundestag abstimmen lassen / Stoltenberg reagiert ziemlich reserviert / Regierungssprecher Klein: Wahltaktik

Berlin (taz/dpa) - Die Sozialdemokraten wollen den verteidigungspolitischen Sinneswandel der Freidemokraten auf die Probe stellen. Sie wollen im Bundestag über die Pläne des FDP-Vorstandes, aus dem Milliardenprojekt „Jäger 90“ auszusteigen, im Bundestag abstimmen lassen. SPD-Chef Vogel kündigte gestern in Bonn für die Debatte über den Nachtragshaushalt die Vorlage von Anträgen sowohl zur sofortigen Beendigung des Kampffliegerprojektes als auch zur Verminderung der Bundeswehrstärke und der Verkürzung der Wehrdienstzeit an.

Der Bundesvorstand der Liberalen hatte am Montag bei der Beratung des FDP-Programms für die Bundestagswahl '90 den Verzicht auf den „Jäger 90“ gefordert, ohne aber einen Zeitplan zu nennen. Gleichzeitig sprach sich die FDP -Vorstandsetage für eine Verkürzung des Wehrdienstes auf zwölf Monate und für eine Begrenzung der Bundeswehr auf 350.000 Soldaten aus. Endgültige Entscheidungen sollen allerdings erst auf einem Wahlparteitag Ende September gefällt werden. Der SPD-Verteidigungsexperte Erwin Horn sprach von einer „überraschenden Wende“ der FDP im Wahljahr: „Wir begrüßen den Wandel, wir trauen ihm nur nicht.“ Die SPD wolle nun die FDP zwingen, Farbe zu bekennen.

Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) ist von den Plänen des Bonner Koalitionspartners keineswegs begeistert. Er nannte die Diskussion um eine Verkürzung des Wehrdienstes und eine weitere Reduzierung der Bundeswehr verfrüht. Zum angestrebten Stopp des „Jäger 90„-Projektes wollte er sich gar nicht erst äußern. Der FDP-Bundesvorstand übersehe, schallte es gestern von der Hardthöhe, daß es in Wien bei der für 1991 geplanten zweiten Runde der Abrüstungsverhandlungen zunächst um eine erhebliche Verringerung der sowjetischen und eine spürbare Reduzierung der amerikanischen Truppen in Europa gehe.

Regierungssprecher Klein deklarierte das Verhalten der FDP kurzerhand als „parteipolitische und wahltaktische Fragen“. Ganz ähnlich wollte auch der CDU-Verteidigungsexperte Bernd Wilz den sich anbahnenden Koalitionsstreit eindämmen. Die „wahltaktische Übelegung“ der FDP müßte vor dem Hintergrund der NRW-Landtagswahl gesehen werden - es handele sich um „keine dramatische Entscheidung“. Die Beschlüsse über die Entwicklung des von Großbritannien, Italien und der Bundesrepublik gemeinsam geplanten Tornado-Nachfolgers, die den bundesdeutschen Steuerzahler allein schon sechs Milliarden Mark kostet, blieben weiter gültig, beharrte Wilz. Ob der Flieger irgendwann wirklich abhebt, sei dagegen „eine Frage der Zukunft“. Nach der bisherigen Planung soll die Bundeswehr 200 bis 250 „Jäger 90“ für insgesamt 16,5 Milliarden Mark anschaffen.

Bei der Chronik des angekündigten Projektesterbens dürfte aber auch Daimler-Benz Chef Edzard Reuter wesentliche Teile mitschreiben. Schließlich war die Zusicherung der Milliardenbeträge für die Planung des Kampffliegers eine der wesentlichen Daimler-Forderungen bei der Fusion mit dem Münchner Luft- und Raumfahrtunternehmen MBB zu Europas größter Rüstungsschmiede. Der verteidigungspolitische Sprecher der FDP, Olaf Feldmann, hat daher wohlwissend vom Verteidigungsministerium gefordert, konkrete Zahlen dafür zu nennen, was der Ausstieg kosten würde.

wg

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