Aidsaufklärung unterm Rotstift

■ Drastische Mittelkürzung trifft auch die Arbeit der Deutschen Aids-Hilfe / Die Selbsthilfeorganisation sieht durch das Bonner Sparkonzept ihre Arbeit bedroht / „Wahlkampf auf Kosten der Aids-Aufklärung“

Berlin (taz) - Bonn reduziert die Mittel für die Aids -Aufklärung. Auch die wichtigste Einrichtung im Kampf gegen die Immunschwäche ist unter den Rotstift geraten: die Deutsche Aids-Hilfe (DAH). Die bundesweite Selbsthilfeorganisation, die die Aids-Prävention bei den Hauptrisikogruppen Schwulen und FixerInnen fast alleine trägt, sieht ihre Arbeit gefährdet.

In ihrer Haushaltsrede hatte Ministerin Lehr am 30. November große Taten angekündigt: „Aids war und bleibt eine große Aufgabe. Wir müssen weltweit alle Kräfte mobilisieren, um dieser bedrückenden Geißel der Menschheit ihren Schrecken zu nehmen.“ Sechs Wochen später sieht alles ganz anders aus, sind die Mittel drastisch reduziert. 45 Millionen Mark hatte das Bonner Gesundheitsministerium im vergangenen Jahr insgesamt für die Aids-Aufklärung zur Verfügung gestellt. In diesem Jahr wurde dieser Etat um mehr als 20 Prozent auf 35 Millionen heruntergekürzt. Neben der Reduzierung der bescheuerten TV-Werbespots, in denen Schwule und Fixer nach wie vor nicht vorkommen, wird auch die DAH von dieser Mittelkürzung betroffen sein. Sie sollte dieses Jahr eigentlich mit 7,5 Millionen Mark ausgestattet werden. Statt dessen wird sie nur 6,8 Millionen erhalten, ursprünglich sogar nur 6,6 Millionen wie im Vorjahr. 200.000 Mark hat Bonn erst letzte Woche nach Protesten draufgesattelt.

Auf einer Pressekonferenz in Bonn hat die DAH gestern die unzureichende finanzielle Unterstützung scharf kritisiert. Entgegen früheren Zusagen fehlten ausreichende Mittel für die Prävention.

Vor dem Hintergrund der wachsenden Zahl von Infizierten und Kranken hat sich bei der DAH der Mittelbedarf stark erhöht. Schon 1988 waren 13,9 Millionen Mark Projektmittel beantragt worden. Im vergangenen Jahr hatte die DAH Projekte mit einem Aufwand von 15,7 Millionen Mark vorgesehen. Bonn ließ die DAH bis Mitte des Jahres im unklaren und bewilligte dann 6,5 Millionen Mark. In diesem Jahr war im Ministerium ein bescheidener Zuwachs auf 7,5 Millionen Mark vorgesehen, der jetzt aber nicht eingehalten wurde.

Und während die Aids-Hilfe um ihre Gelder betteln muß, hat Bonn die Mittel für den „Nationalen Rauschgiftbekämpfungsplan“ mit 14 Millionen Mark zusätzlich mehr als verdoppelt. Damit ist für die Aids-Hilfe die Schmerzgrenze überschritten. Christiane Friedrich vom DAH -Vorstand warf der Bundesregierung gestern „Wahlkampf auf Kosten der Aids-Aufklärung“ vor. Es würden Millionen in die populäre Rauschgift-Bekämpfung gesteckt, anstatt die Aufklärungsarbeit der Aids- und Drogenhilfe ausreichend zu unterstützen.

Manfred Kriener