„Satire darf alles“

■ Realsatire um Exbürgermeister Ubbelohde vorläufig beendet: 'Stachel'-Redakteur in erster Instanz freigesprochen

Unter dem Beifall von rund zwei Dutzend ProzeßbeobachterInnen wurde der AL-Bezirksverordnete und 'Stachel'-Redakteur Michael Schulze gestern vom Vorwurf der „Beleidigung“ und „üblen Nachrede“ freigesprochen. Damit endete vorerst die Realsatire um das vermeintliche Sexualleben des Charlottenburger Exbezirksbürgermeisters Baldur Ubbelohde. Schulze hatte sich in dem Strafprozeß für den satirischen Artikel „Ist Baldur hetero?“ zu verantworten, der Anfang vergangenen Jahres in der AL -Wahlkampfzeitung erschienen war.

In dem Artikel hatte Schulze die Frage gestellt, ob Baldur denn noch der bisher bekannte „aufrechte schwule Politiker und Mensch“ sei. Obwohl Staatsanwalt Dom und Schulze -Verteidiger Wieland leider auf die Vernehmung des Nebenklägers Ubbelohde verzichteten, war der Prozeß recht kurzweilig. Bereits zu Beginn der Verhandlung erklärte Schulze deutlich: „Selbstverständlich sind die beschriebenen Behauptungen nicht wahr.“ Nachdem er für Dom damit eine „falsche Tatsachenbehauptung zugegeben“ hatte, ging es um die Frage „Satire oder nicht Satire“? Zu deren Klärung mußte für Ubbelohde-Rechtsanwalt Raue selbst Tucholsky herhalten: „Satire darf alles“ - allerdings handle es sich bei „Satire“ darum, einen Mißstand pointiert darzustellen. Somit müsse ein Funken Wahrheitsgehalt vorausgesetzt werden, ansonsten sei es „übelste Verleumdung“.

Richter Mülders schloß sich in seiner Urteilsbegründung weitgehend den Ausführungen des Verteidigers Wieland an. Der Artikel sei offensichtlich keine Tatsachenbehauptung. Die Umkehrung der herrschenden Meinung sei ein „literarischer Kunstgriff“, der die realen Verhältnisse ad absurdum führe. Da selbst unkritische LeserInnen dies im Verlauf des Artikels merken müßten, handle es sich nicht um „üble Nachrede“.

Auch eine „normale Beleidigung“ konnte Richter Mülders in dem Artikel nicht ausmachen. Schließlich sei Ubbelohde nicht persönlich in seiner Ehre verletzt, sondern als Repräsentant der CDU und deren Geisteshaltung herausgegriffen worden. „Endlich einer, der's kapiert hat“, war aus dem vollbesetzten Zuschauerraum zu hören. Ganz anders Staatsanwalt und Ubbelohde: Selbstverständlich werde man in Berufung gehen, so die prompte Reaktion auf den Freispruch.

Silke Langhoff