Wahlkampf nicht nur mit Ideen

■ In Nicaragua geht der Wahlkampf in die letzte Runde / Aus Managua Ralf Leonhard

Am 25. Februar wird in Nicaragua gewählt. Unter dem wachenden Auge der UNO-Beobachtergruppe sind gewalttätige Konfrontationen in den letzten Wochen ausgeblieben. Das Hauen und Stechen geht aber unvermindert weiter: Die Opposition kritisiert ihren mangelnden Zugang zu den Medien und beklagt die Einschücherung ihrer Kandidaten. Selbst setzt sie auf Horrorpropaganda gegen die Sandinisten.

Der Tusch aus Richard Straußens „Zarathustra“ ertönt - nicht für 2001 im Weltraum, sondern für 1990 in Nicaragua. Über das staatliche Fernsehen ermahnt der zentrale Wahlrat Nicaraguas die Bürger des Landes, vor allem aber die Parteiaktivisten, zu Ethik, Respekt und Besonnenheit: „Ideen bekämpft man mit Ideen.“ Daß diese fromme Aufforderung nicht allerorts befolgt wird, kritisierte jüngst Elliot Richardson, der persönliche Repräsentant von UNO -Generalsekretär Perez de Cuellar an der Spitze der Beobachtergruppe der Vereinten Nationen (ONUVEN) in seinem Bericht vom vergangenen Dezember. Nach einem neuerlichen Besuch in Nicaragua zeigte er sich befriedigt, daß sich die Rahmenbedingungen für die Wahlen vom 25.Februar spürbar verbessert hätten.

Gewalttätige Konfrontationen zwischen Anhängern der größten Oppositionsallianz „Nationale Oppositionsunion“ (Uno) und sandinistischen Aktivisten sind in den letzten Wochen ausgeblieben. „Man muß anerkennen, daß die Polizei dazu einen wichtigen Beitrag geleistet hat“, erklärte Richardson am 15.Januar in Managua. Die sandinistische Polizei bemüht sich seit dem blutigen Zwischenfall von Masatepe, Zusammenstöße gar nicht erst zuzulassen, von vornherein auszuschließen.

Am 10.Dezember war ein Marsch der Uno in Masatepe in eine Straßenschlacht zwischen den Anhängern des Rechtsbündnisses und sandinistischen Aktivisten ausgeartet. Fazit: ein toter Sandinist, 28 Verletzte, ein niedergebranntes Parteilokal der FSLN und zwei ausgebrannte Fahrzeuge.

Eine Gruppe von Wahlbeobachtern des „Center for Democracy“ aus Washington, stramme Verfechter der von Ronald Reagan vorgezeichneten Zentralamerikapolitik, die zum ersten Mal nach Nicaragua gekommen waren, befand sich vielleicht nicht ganz zufällig zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Bevor noch die Faktenlage einigermaßen geklärt war, klagten sie die Sandinisten eines „bewußten Planes gegen die Durchführung der Wahlen“ an. Comandante Bayardo Arce, der Wahlkampfleiter der FSLN, fand es „zumindest verdächtig, daß die Gewalt ausgerechnet ausbrach, als die Leute von der US -Regierung gerade vor Ort waren und daß diese sofort die FSLN verurteilen. Warum sagen sie nichts über das Niederbrennen des FSLN-Lokals und einer Kinderkrippe?“ Die Beobachter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) sahen sich jedenfalls nicht zu einer eindeutigen Schuldzuweisung in der Lage, ermahnten aber die sandinistische Polizei, daß es ihre Aufgabe sei, solche Zusammenstöße zu verhindern.

Die ONUVEN, die gemeinsam mit der Beobachtergruppe der OAS ein Verdikt über die Sauberkeit des Wahlprozesses abgeben soll, hatte in ihrem Bericht außerdem den Mißbrauch von staatlichen Mitteln durch die Regierungspartei, den mangelnden Zugang der Parteien zu den staatlichen Medien, die unausgewogene Berichterstattung im öffentlichen Fernsehen und die Einschüchterung von Oppositionskandidaten kritisiert. Mehr als hundert Kandidaten der UNO für die Nationalversammlung und die Gemeinderäte haben in den letzten Wochen ihre Namen von den Listen streichen lassen. „Die UNO würde am liebsten die Wahlen vorverlegen - solange sie noch Kandidaten hat“, witzelte Roger Sanchez, der Starcartoonist des Sandinistenorgans 'Barricada‘ in der letzten Woche.

Doch bei 90 Parlamentsabgeordneten und deren Stellvertretern sowie 636 Aspiranten und ebensovielen Ersatzleuten für die Gemeindevertretungen ist die Zahl der Rücktritte nicht alarmierend, zumal sie fast ausnahmslos aussichtslose Listenplätzen betrifft. „Wo wir Hinweise haben, daß es Einschüchterung gegeben hat, gehen wir dem Fall nach“, versicherte Richardson. In jedem Fall handele es sich dabei offensichtlich um Aktionen übereifriger Lokalfunktionäre und nicht um eine systematische Politik der Regierung.

„Während die US-Regierung der nicaraguanischen Regierung vorwirft, UNO-Aktivisten einzuschüchtern, ist die FSLN die einzige Partei, deren Aktivisten oder Sympathisanten während des Wahlkampfes ermordet, verletzt oder verschleppt wurden“, versucht die christliche Menschenrechtsorganisation „Witness for Peace“ die Relationen zurechtzurücken. Es sei blanker Hohn, wenn die US-Regierung, die die Contras unterstütze, saubere und gewaltlose Wahlen in Nicaragua fordert. In der Tat sind seit Weihnachten mindestens zehn Kandidaten und Funktionäre der Sandinisten, vor allem in der Nord- und Nordostregion des Landes, von Contras gezielt ermordet, verwundet oder gekidnappt worden. Manchmal zünden die Contra -Kommandos ihre Straßenminen, auch ohne zu prüfen, wer im Fahrzeug sitzt. Nur so ist der nachweislich von Contras verübte Anschlag am Neujahrstag zu erklären, bei dem zwei Nonnen ums Leben kamen.

Elliot Richardson erinnert daran, daß sowohl Daniel Ortega als auch die Wahlkampfleitung der FSLN sich dafür verbürgt haben, daß der Mißbrauch von öffentlichen Einrichtungen für Parteipropaganda abgestellt werde. Von der Sandinistenflagge am Flughafen bis zu den rot-schwarzen Parolen auf jedem Postamt reicht die verbotene Propaganda, die im Wahlgesetz expressis verbis untersagt wird.

Moniert wird auch, daß in den Fernsehnachrichten über die Wahlveranstaltungen Daniel Ortegas prominent berichtet wird, während über die UNO allabendlich nur zu erfahren ist, wieviele Kandidaten ihren Rücktritt eingereicht haben. Die „Wirtschaftsblockade“, über die sich die UNO lautstark beklagt hatte, weil die vom US-Kongreß gestifteten Dollarmillionen in der Bürokratie der nicaraguanischen Zentralbank aufgehalten würden, dürfte inzwischen aufgehoben sein: 200.000 Dollar wurden am Montag ausgeschüttet. Der Rest soll freigegeben werden, sobald ein für die Gelderkanalisierung geschaffenes Institut namens IPCE seine Rechtsfähigkeit zugesprochen bekommt.

Manipuliert und getrickst wird jedoch keineswegs nur auf Seite der Regierung. Praktisch alle kleinen Oppositionsparteien werden von 'La Prensa‘, dem offiziösen Organ der UNO, totgeschwiegen. Die Zeitung der UNO -Kandidatin Violeta Chamorro hat sich ganz auf Horrorpropaganda gegen die Sandinisten eingeschossen. Ein dubioser Bericht der bundesdeutschen 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘, wonach unter Berufung auf „nachrichtendienstliche Erkenntnisse“ die sandinistischen Kommandanten ihre fetten Geldkonten in der Schweiz mit dem Verkauf von internationalen Sachspenden nähren, diente 'La Prensa‘ als Material für ihre Schlagzeile. Der Artikel, dessen Inhalt inzwischen von der Regierung der Bundesrepublik als mutmaßliche CIA-Propaganda eingestuft worden ist, wurde nicht nur in der wörtlichen Übersetzung übernommen, sondern zusätzlich noch im Faksimile abgedruckt.

Auch die Ereignisse in Osteuropa sind für 'La Prensa‘ eine unerschöpfliche Quelle für propagandistische Tiefschläge. So grub die Zeitung nach dem Massaker im rumänischen Temeswar vom Dezember ein altes Foto von Daniel Ortega beim Handschlag mit Ceausescu aus und unterstellte der sandinistischen Regierung ein besonders enges Verhältnis zum Conducator, obwohl Rumänien bekanntlich das osteuropäische Land war, zu dem Nicaragua die kühlsten Beziehungen unterhielt.