Von der Fahrrad-Mafia umzingelt

■ Verein „Klönschnack“ lud zum Thema „Ohne Auto leben“ / Psychische Einheit Mensch-Auto

Automobil - selbst-beweglich sein: Der Traum der Menschheit ist ausgeträumt. Wo zu viele Autos sind, bewegt sich schließlich überhaupt nichts mehr.

Vor 14 Tagen das eigene Auto abgeschafft, betrete ich als Spezialistin die Räume des DRK

Hauses Mathildenstraße: Der Luxus, spontan ins Auto zu steigen, das wegen eines Werder-Spiels fünf Straßen von meiner Wohnung entfernt parkt, war mir zu teuer geworden. Der Nebeneffekt: Ich bin zur Umwelt-Retterin avanciert. Die 30 Millionen Autos der Bundesrepublik - so war im Diavortrag von Evelyn Krien aus Münster, Sprecherin des VCD -Bundesausschusses (Verkehrsclub der Bundesrepublik Deutschland e.V.) zu erfahren, verpesten nicht nur die Luft und verstopfen unsere Straßen, sondern brauchen - schnell ausgerechnet - rund 300.000 Quadratkilometer zugepflasterter Stellfläche.

Wenn frau sich dazu noch die vielen Straßen vorstellt, wundert sie sich, wo überhaupt noch eine Kuh oder ein Baum stehen sollen. Deshalb ist es besser, wenn frau sich aufs Fahrrad schwingt. Verschiedene Fahrradanhänger, mit denen Kinder und Bierkisten problemlos transportiert werden können, werden auf den Dias vorgestellt.

Nächster Programmpunkt: Eine Auto-Abschafferin berichtet, wie sie sich als Bremerhaven-Pendlerin mit Bahn und Fahrrad streßfrei bewegen kann. In der anschließenden Diskussion bestätigen sich die Fahrradfetischisten gegenseitig, daß das Leben nach dem Auto erst angefangen

hat. Leider gibt es immer noch Autosüchtige, die sich nicht bekehren lassen. Gesetzliche Maßnahmen sind nicht zu erwarten. (Eine Krankenschwester, die auf einer Intensivstation unfallverursachte Kopfverletzungen betreut, meint, es müßte gesetzlich verbo

ten werden, ohne Sturzhelm Auto zu fahren!) Die Politiker sind selbst Autofahrer oder fühlen sich der Autoindustrie -Lobby verbunden.

Wer mit Katalysator fährt, wird begünstigt - aber wer sein Auto ganz abschafft? Ulrich Görlitz, Vorstandsmitglied des VCD-Landesverbandes, schrieb deshalb an Umweltminister Töpfer, er habe sein Auto abgeschafft, und frage sich, ob er nicht Anspruch auf eine Autoabschaffungsprämie habe. Die Antwort sei „nichtssagend“ gewesen, berichtet Görlitz.

„Eigentlich“, so Evelyn Krien, „hat ein Nicht-Autobesitzer auch Anspruch auf öffentliche Stellfläche für größere Haushaltsgegenstände. Denn wieso zahlt die öffentliche Hand für das Abstellen von Privatbesitz Auto?“ Wie man letzten Endes die psychische und physische Einheit Mensch-Auto auflösen kann - da herrscht Ratlosigkeit. „Sogar wenn die eigenen Kinder wegen Smog schon husten, fahren die Leute weiter Auto“, sagt ein Diskussionsteilnehmer. „Irgendwie haben die Autofahrer aber schon ein schlechtes Gewissen“, sagt eine anderer, „vielleicht ist das ausbaufähig?!“

Es regnet und stürmt, als ich auf die Straße trete. Die Straßenbahn fährt mir vor der Nase weg. Beate Ram