„Nicht mehr deutsch singen“

■ Gespräch mit B. Rausch, Musikredakteur bei Radio Bremen 4: Kooperation mit DDR-Jugendsendung DT 64

taz: Was heißt DT 64?

Burkhard Rausch: 1964 gab's ein großes Jugendpioniertreffen aus dem ganzen Ostblock, und das hieß Deutschlandtreffen '64. Aus dieser reinen Informationswelle ist dann eine ganze Jugendwelle geworden: eben DT 64.

Wie und wann habt ihr Kontakt aufgenommen?

Wir hatten die Idee schon vor über einem Jahr, also vor der Wende. Weil DT 64 nun mal die einzige Rock-und Pop-Station in der DDR ist, so wie wir in der BRD. Damals ist das erstmal gescheitert, weil beide Seiten noch nicht so offen waren. Dann kam die Öffnung, da ist Achim Deicke, ein freier Mitarbeiter, rübergefahren und hat die angetroffen, und da ham die gesagt: Ja klar, machen wir sofort.

Und dann hat sich Wolfgang Hagen (Hauptabteilungsleiter U -Musik) eingeklinkt, ist hingefahren, hat alles angeleiert. Und seitdem läuft das auf eine ganz tolle Art und Weise. Zuerst haben sie sich bei uns bedankt, weil wir die erste BRD-Station sind, die nicht nur haben wollen, sondern auch geben.

Was läuft denn auf DT 64?

Die sind bisher sehr schwierig an Platten rangekommen. Da gab's eine Platte für's ganze Funkhaus, insgesamt sechs Wellen. Diese Platte wird also umgeschnitten, und jeder Musikredakteur kriegt pro Titel ein Kärtchen, handgeschrieben!! Das ist ein wahnsinniger Verwaltungsaufwand.

Und die Studiotechnik?

Die Moderatoren haben so ein halbes Selbstfahrerstudio. Die Technik draußen legt die Bänder auf, aber der Moderator hat kleine Regler im Tisch und kann sein Mikro runter-und hochziehen.

Jedenfalls: Wir haben dann Sendungen übernommen: Zuerst eine Live-Diskussion, Udo Lindenberg im Gespräch. Dann wurde eine Koproduktion geplant, aber da gibt es einfach noch zu viele Leitungsprobleme zwischen Ost und West. Dann haben wir übernommen: eine Live-Diskussion mit - u.a.-Olaf Leitner, Redakteur beim RIAS, absoluter Kenner der DDR-Rockszene, das ist Wahnsinn, weil: RIAS ist natür

lich das absolute Feindbild. Da waren Gruppen aus der Ostberliner Musikszene dabei, z.B. „Herbst in Peking“, eine gute Band, dann ein US-Produzent, das war eine Diskussion über den DDR-Rock schlechthin.

Dann waren Achim und ich letzte Woche da und haben zwei Stunden lang das Bremen 4-Programm vorgestellt. Das hat tierischen Spaß gemacht, wir hatten Teile unserer Spezialsendungen mitgenommen, Musiken aus der Bremer Szene, also Pachinko Fake, Rumble on the Beach, den neuen Bremen -Sampler „Bremen under cover“, der ja nun ziemlich gut ist. Und dann haben wir nur beiläufig die Hörer aufgefordert, uns zu schreiben, wir schicken dann Sticker und Programmzettel. Und jetzt kommt packenweise Post aus der ganzen DDR.

Tenor?

Total geil, wunderbar, wenn euer Sender und unserer zusammenarbeiten würden.

Könnte man DT 64 mit dem renommierten Jugend-TV „ELf 99“ vergleichen?

Die Elf 99-Leute kommen aus dem DT 64-Stall. Die haben im Prinzip den gleichen Ruf. Und wir haben viele Gemeinsamkeiten mit uns entdeckt. Sie versuchen auch, so kommerziell wie nötig und so anspruchsvoll wie möglich zu sein. Die wollen auch nicht auf Dauer diese Soße der Top 45.

Wie ist denn die Programmstruktur dort?

Die haben eine Vorgabe gehabt,

einheimischen Kram zu spielen, was teilweise wirklich furchtbar ist, und viele Bands haben eben gar keine Möglichkeit, bei Amiga, einer der beiden DDR-Plattenfirmen, unter Vertrag zu kommen. Es gibt aber viele Bands in der Independent-Szene, im Untergrund. Jetzt müssen Rockbands wenigstens nicht mehr deutsch singen. „Früher“ mußtest du auch eine Musikerausbildung haben, damit du auftreten durftest.

Und jetzt kommt noch ein Knaller: am kommenden Mittwoch da kommen die uns besuchen und stellen hier ihr Programm vor. Ca. fünf Stunden, ab 19 Uhr.

Libuse Cerna kommt zum Gespräch dazu, sie ist Wortredakteurin bei RB4

Wie sieht's im Wortbereich aus?

Libuse Cerna: DT 64 ist zwar ein musikorientiertes Programm, aber wir wollten damals auch gleich was über die Wortschiene machen. Das war dann zu schwierig, organisatorisch, weil wir z.B, telefonisch gar nicht durchgekommen sind. Wir werden in Zukunft einzelne Beiträge längerfristig austauschen. Erstmal waren wir sehr froh, daß das über die Musik lief. Die Musik ist das, was die Leute zunächst verbindet.

Gibt es eigentlich freie Mitarbeiter?

Nein, es gibt nur Festangestellte. Darum sind die auch abgesichert und können gut recherchieren und handwerklich gute Beiträge machen, einfach weil sie nicht unter

Zeitdruck stehen. Dazu kommt: Bei DT 64 gibt es zwischen 170 und 180 Redakteure, zur Hälfte Frauen, für eine Sendezeit von

fünf bis 24 Uhr. Wir sind sechs festangestellte Redakteure für die gleiche Zeit.

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