Nutella nicht vergessen!

■ Ein Plädoyer für den Urlaub in Wandlitz: Eine Woche im Ferienhaus für 312 Mark / Hier liegt der kommende Trend begraben: Es gibt zwar keine Mikrowelle - aber man spricht Deutsch

Es ist soweit: Ein neues Reiseziel tut sich auf, erstaunlich preiswert und doch mit dem Kick eines exklusiven Geheimtips. Hier das neueste Angebot von Matthies-Reisen in Berlin 31: Urlaub im Ferienhaus in Wandlitz, das Wochenende für 89, eine ganze Woche für 312 Westmark. Aber bekommen wir hier auch das, was wir sonst für die „wertvollsten Wochen des Jahres“ erwarten? Zwar bieten die Veranstalter laut Prospekt Einbauküche, Bootssteg mit Ruderboot, überdachte Veranda, Fußbodenheizung, Kamin, Gartenmöbel, Couchgarnitur, Fahrräder und sogar ein Cafe im nächsten Ort - alles persönlich ausgesucht -, doch sollte man sich nicht allzusehr blenden lassen. Der Surfbrettverleih fehlt. Und wie ohne Mikrowelle überleben? Was tun, wenn die Kids maulend in den verregneten märkischen Himmel starren, weil der Musikkanal nicht aus der unverkabelten Glotze flimmert?

Wer so an die Sache rangeht, muß scheitern. Und wer in Wandlitz einmal so richtig den Pomp vergangener Tage erleben will, auch. Längst ist die Hautevolee ausquartiert worden. Statt ihr trifft man genesende Mütter, abgearbeitete Werktätige auf Kur und Ost-Tagestouristen, die nicht anders aussehen als die bei Bilka am Kottbusser Damm. Und selbst die zurückgelassenen Behausungen reichen nicht einmal an die BRD-Prominentenghettos von Starnberg und Kampen heran. Ceausescus Hofstaat residierte wenigstens in Barockschlössern mit Hollywoodpools. Honeckers Günstlinge schafften kaum den Standard schwäbischer Landärzte und begnügten sich mit Zwei-Züge-quer-drei-Züge-längs-Pools... Selbst eingefleischte Antikommunisten können da kaum die angenehm kribbelnde Bestätigung ihres Weltbildes von der skrupellosen Perfidie der Roten finden, so nach dem Motto: „Das Volk hungert, und die lebten in Saus und Braus, da lob‘ ick mir doch den Kapitalismus...“

Und doch liegt hier der Trend begraben. Undenkbar wäre es doch, man müßte eingestehen, sich den Bauch in Marbella gebräunt zu haben, und Meyers waren in Rostock, der Zahnarzt wanderte in Thüringen, und die Steuerberaterin schwärmt vom Jägerschnitzel mit Pommes am Müritzsee. Wir reisen eben in Wellen. Und da führt kein Weg zurück - also: ab nach Wandlitz. Nicht zum Honecker- und Mielke-Gucken, sondern zum Revival der guten alten, einfachen Zeit. Als Mutti auf dem Rücksitz von Vatis Vespa zum ersten Mal das Allgäu sah und heimlich unterm Tisch die mitgebrachte Stulle zum dünnen Kaffee im Bergbauernhof aß. Zurück in die Sechziger, als wir noch mit dem ersten eigenen Käfer durch den Schwarzwald zockelten und uns von selbstgemachtem Kartoffelsalat aus Tupperschüsseln nährten. Deutschland über alles, in Wandlitz. Und der Clou dabei: Auf die gewohnte Bestätigung, wie prima wir sind, brauchen wir trotzdem nicht zu verzichten. Auch hier kann Papi vom Liegestuhl den Mercedesstern bewachen und sich den ganzen Urlaub lang daran erfreuen, daß alle Eingeborenen ihn darum beneiden. Wir können die schlechten Straßen, den miesen Service im Restaurant und die vergammelten Häuser so richtig genießen denn uns geht es besser. So haben wir uns schon in der Türkei und in Griechenland sauwohl gefühlt, aber hier gibt's noch einen Vorteil: Man spricht Deutsch! Was wollen wir mehr? Bloß den Kaba mit Mangogeschmack und die Nutella für die lieben Kleinen sollten wir nicht vergessen.

tom