Die Bewag bringt den Osten zum Leuchten

■ Westdeutscher Strom soll nach Ost-Berlin und Potsdam verkauft werden / Stromverbund macht Expansion ins Umland möglich

Die Bewag möchte den Stromverbund für eine Expansion nach Ost-Berlin und ins Umland nutzen. Das ließ der Vorstand des Energieversorgungsunternehmens gestern nach einer Sondersitzung des Aufsichtsrates durchblicken. „In kleinem Stil“ könnte die Bewag jetzt schon „in Notfällen Hilfe leisten“, sagte Leonhard Müller vom Vorstand der Aktiengesellschaft. Entsprechende „Wunschvorstellungen“ hätte nicht nur das Ostberliner Energiekombinat geäußert, sondern auch der Potsdamer Energieversorgungsbetrieb.

Darüber hinaus kann sich die Bewag nach den Worten von Vorstandssprecher Wilm Tegethoff auch größere Lieferungen an die DDR vorstellen. Den Strom könnte die Bewag billig auf den westeuropäischen Spotmärkten besorgen, über die Stromtrasse in die Stadt holen und dann an die DDR weiterverkaufen. Ein „zweiter starker Einspeisepunkt“ neben Wolmirstedt bei Magdeburg, wo die Preussen Elektra seit Jahresanfang Strom an das DDR-Netz abgibt, wäre angesichts des DDR-Energiehungers „durchaus nicht sinnlos“, versicherte Tegethoff.

Wegen unterschiedlicher Netzfrequenzen in Ost und West ist für größere Stromlieferungen eigentlich der Bau einer aufwendigen Gleichstromkurzkopplung nötig, wie sie in Magdeburg zur Zeit entsteht. Im von der Bewag angepeilten sogenannten „Richtbetrieb“ wäre eine derartige Anlage dagegen unnötig: „Einzelne Stadtbezirke Ost-Berlins würden vom DDR-Netz abgekoppelt und an das Bewag-Netz angeschlossen. Eine Verbindungsleitung zwischen den beiden Stadthälften könnte innerhalb eines halben Jahres fertiggestellt werden“, schätzte Müller.

Dieses Modell habe auch Vorteile gegenüber ähnlichen Plänen von Umweltsenatorin Schreyer, hob Tegethoff auf taz-Anfrage hervor. Schreyer hatte vorgeschlagen, einen Teil der für West-Berlin bestimmten westdeutschen Stromlieferungen schon westlich der Stadt abzuzweigen und ins DDR-Netz einzuspeisen; auf diese Weise hätte der innerstädtische Trassenanschluß kleiner ausfallen können. Bei dieser Variante wäre - so Tegethoffs Einwand - der Bau einer teuren Kupplung nötig. Außerdem käme die mit Bewag-Geld finanzierte Trasse durch die DDR nur teilweise der Bewag selbst zugute.

Es wäre vor diesem Hintergrund ein „historisches Versäumnis“, meinte Müller gestern, die Stromtrasse nach West-Berlin nicht zu bauen. Erneut äußerten die Bewag-Chefs starke Zweifel an der Realisierbarkeit der ihnen vom Senat auferlegten Verkabelung der innerstädtischen Stromleitung. Tegethoff nannte in erster Linie mögliche Bodenverseuchungen in Haselhorst, die vor dem Leitungsbau beseitigt werden müßten. Ob die Kabelvariante - verglichen mit der von der Bewag favorisierten Freileitung - ohne „unvertretbare Verzögerungen und Mehrkosten“ realisierbar sei, könne erst nach eingehenden Untersuchungen im Oktober entschieden werden. Die Absicht des Vorstandes, aus diesem Grund den Senatsbescheid über die Verkabelung vorsorglich vor Gericht anzufechten, habe der Aufsichtsrat „zustimmend zur Kenntnis genommen“, sagte Tegethoff.

Ob auch die Senatsvertreter im Aufsichtsrat Umweltsenatorin Schreyer und Finanzsenator Meisner - diesen Beschluß mitgetragen hätten, verriet Tegethoff nicht.

hmt