Der Pakt mit der Mafia

■ Zum Angebot des Medellin-Kartells, die Waffen zu strecken

Nichts wäre Kolumbien mehr zu wünschen, als eine Übereinkunft zwischen der Regierung und den Drogenhändlern. Das mag sich anstößig anhören, wenn man an die Hunderte von Morden und die zahllosen Bombenanschläge der Kokainbosse denkt. Die Führer des Kartells von Medellin sind Kriminelle und haben noch nie vor einem Menschenleben zurückgeschreckt. Escobar und Konsorten gehören zu den reichsten Mördern der Welt und haben sich Schritt für Schritt bis in die Machtzentren der kolumbianischen Oberschicht eingekauft. Das macht sie so gefährlich, jene einfachen Leute aus der unteren Mittelschicht, die letztendlich nur einen lang verwehrten sozialen Aufstieg suchen. Gerade wegen ihres mörderischen Gewaltpotentials aber sollte mit den Kokainbossen verhandelt werden. Wenn sie tatsächlich dazu bereit sind, die Waffen im Austausch gegen eine Beendigung der Auslieferung an die USA niederzulegen, wäre eine solche Kapitulation dem Fortdauern des blutigen Drogenkriegs vorzuziehen. Dabei müßte der kolumbianische Staat die interne Strafverfolgung verstärken, um zumindest die Hauptverantwortlichen der Gemetzel, Bomben und Morde vorübergehend hinter Gitter zu bringen - und sei es nur, um sein Gesicht zu bewahren. Wer die zerfetzten Leichen eines Bombenanschlags gesehen hat, wer die dumpfen Explosionen gehört hat, weiß, daß der Krieg so schnell wie möglich beendet werden muß.

Es ist für Kolumbien lebenswichtig, dem „Narcoterrorismo“, dem Drogenterrorismus, das Handwerk zu legen - um so besser, wenn dies über Verhandlungen geschieht. Der „Narcotrafico“ dagegen, der Drogenhandel selbst, ist ohnehin nicht zu stoppen.

Solange der Konsum illegaler Rauschgifte in den Industriestaaten fortbesteht, wird in der Dritten Welt für Nachschub gesorgt. Dabei gibt es keine Anzeichen dafür, daß beispielsweise in den USA seit Beginn des Drogenkrieges der Konsum nennenswert zurückgegangen ist. Das liegt daran, daß die gesellschaftlichen Mißstände, die den massiven Drogenkonsum hervorrufen, nicht behoben worden sind. Da dies in absehbarer Zeit auch nicht geschehen wird, wäre es das Beste, den Drogenhandel zu legalisieren und ihm so durch staatliche Kontrolle und Verminderung der Gewinnspanne sein ungeheures Gewaltpotential zu nehmen. Aber auch eine Legalisierung des Kokains ist nicht zu erwarten. Solange dies so bleibt und mangels radikaler Lösungen die Gewalt des Drogenhandels immer tiefer in die Sackgasse führt, sollte keiner ein Land wie Kolumbien verurteilen, daß um des eigenen Friedens willen eine Verhandlungslösung mit der Drogenmafia sucht.

Ciro Krauthausen