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Sag mir, wo die DDR-Väter sind

Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes fahndet in der BRD nach untergetauchten DDR-Männern, die sich durch den Weg gen Westen ihren Unterhaltsverpflichtungen entzogen haben / Die Suche bleibt jedoch meist erfolglos  ■  Von Ulrike Hellwerth

Berlin (taz) - „Hiermit bitte ich Sie um ihre Hilfe bei der Ermittlung des Aufenthaltsortes des Vaters meines Kindes. Er ist mir gegenüber unterhaltspflichtig, und es erfolgte seit August 1989 keine Unterhaltszahlung.“ Solche und ähnliche Briefe stapeln sich beim Suchdienst des DRK zur Zeit en masse. Seitdem sich im Sommer letzten Jahres die ungarische Grenze öffnete, sind in der Münchener Dienststelle über 20.500 Anträge eingetroffen; Menschen aus der DDR suchen nach verschwundenen Verwandten oder Bekannten. Rund 10 Prozent dieser Suchmeldungen stammen nach Auskunft von DRK -Abteilungsleiterin Margit Pierniczek von Frauen aus der DDR, die nach Ehemännern und Vätern fahnden, die ihre Familien im Stich gelassen haben. Mit Geld und auch mit Auto haben sie sich in die BRD oder sonstwohin davon gemacht und kommen ihren Unterhaltspflichten nicht mehr nach.

Der eine hat die gemeinsame Tochter mitgenommen und ist seitdem verschwunden, ein anderer hat 42.600 Mark Schulden hinterlassen, leider aber keine Adresse. „Viele haben die Reisewelle offenbar ausgenutzt, um sich den Ansprüchen geschiedener Frauen zu entziehen“, so Frau Pierniczek.

Für die im Stich gelassenen Frauen ist der Suchdienst oft die letzte Hoffnung. Die Abteilung beim DRK, die seit Kriegsende nach vermißten Soldaten der früheren Wehrmacht und nach ZivilistInnen forscht, mußte bereits aufgestockt werden. Und die bisherigen Erfolge? Während die Aufklärungsquote im Schnitt bei 14 bis 15 Prozent liege, sei sie in den Fällen unterhaltsflüchtiger Väter „ganz gering“, erklärt die Abteilungsleiterin. Nicht alle Übersiedler melden sich im Übergangslager. Und auch wenn es ab und an gelingt, einen säumigen Vater ausfindig zu machen, so darf dessen Adresse nur mit seiner Zustimmung weitergegeben werden: aus „datenrechtlichen Gründen“. Falls er sich weigert, können die Frauen nur noch den Rechtsweg beschreiten, um an ihr Geld zu kommen. Denn auch in der BRD sind Väter aus der DDR unterhaltspflichtig, egal in welchem deutschen Staat die Exfrau oder die gemeinsamen Kinder leben. So wurde es 1974 geregelt. Die Jugendbehörden der beiden deutschen Staaten leisten sich dabei gegenseitige Amtshilfe.

Aber auch DDR-Behörden haben sich an das DRK gewandt. Sie suchen nach Vätern und Müttern, die ihre Kinder im Kindergarten „vergessen“ oder in der Wohnung allein zurückgelassen haben und spurlos verschwunden sind. Mehrere hundert derartige Fälle wurden bisher bekannt. Darunter sind auch einige Mütter, die die neue Freiheit nutzten, um unter Ehe und Familie „den Schlußstrich zu ziehen“, so die Interpretation von Frau Pierniczek. In 50 der 90 vorgebrachten Fälle wurde der Suchdienst bisher fündig.

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