Warten auf Barcos Antwort an die Mafia

Die Kapitulation der Drogenbosse ist noch keine ausgemachte Sache: Die Regierung Barco scheint nicht bereit, auf eine Auslieferung an die USA zu verzichten / Mafia will sich nur Kolumbiens Justiz anvertrauen  ■  Aus Bogota Ciro Krauthausen

„Wir akzeptieren den Triumph des Staates, der Institutionen und der legitim an die Macht gelangten Regierung“, lautete der markanteste Satz eines Mittwoch veröffentlichten Kommuniques der „Auszuliefernden“, jener Bosse des Kartells von Medellin, die einen Großteil des weltweiten Kokainvertriebes besorgen. Doch ob die Regierung die angebliche Kapitulation annehmen wird, bleibt fraglich. Zwar hat Innenminister Lemos Verhandlungen mit den Drogenbossen kategorisch abgelehnt, doch eine Erklärung des Präsidenten Barco steht noch aus. Obwohl die Frage der möglichen Auslieferung der Gesuchten an die USA wird im Kommunique keine Erwähnung findet, steht außer Frage, daß die Mafia genau darüber mit der Regierung verhandeln will.

Als ersten Beweis ihres Friedenswillens, so die Kokainbarone, würden alle derzeit von ihnen entführten Personen bei „günstiger Gelegenheit“ freigelassen und sämtliche Attentate eingestellt. Wenn ihnen „verfassungsgemäße und rechtliche Garantien“ geboten würden, seinen sie dazu bereit, die Kokainausfuhr einzustellen und die Waffen und Laboratorien zu übergeben. Um ihrer Absicht Nachdruck zu verleihen, hatten die Mafiosi zwecks Überbringung ihre zehn Punkte umfassenden Erklärung zwei Frauen freigelassen, die sie vor einiger Zeit entführt hatten.

Die Drogenhändler gingen in allen Punkten auf einen am Vortag bekanntgewordenen Brief zweier liberaler Ex -Präsidenten, des Chefs der linken Partei Union Patriotica und eines Kardinals der katholischen Kirche ein. Sie hatten die Kokainbosse dazu aufgefordert, sich zu ergeben, um so in den Genuß einer „weniger strengen Strafverfolgung“ zu kommen. General Harold Bedoya, Kommandant der Armee in Medellin, bezichtigte ein ungenanntes Mitglied der „Gruppe der Bemerkenswerten“, wie die illustren Verfasser des Briefes von der kolumbianischen Presse genannt werden, den Text des Schreibens vorher mit den „Auszuliefernden“ abgesprochen zu haben. Ebenfalls wird darüber spekuliert, ob nicht auch die Regierung von den Verhandlungsbemühungen wußte. Seit Ende Dezember halten die „Auszuliefernden“ einen Sohn des Privatsekretärs des Präsidenten Virgilio Barco als Geisel.

Das überraschende Kommunique der Kokainbosse wurde allseits positiv aufgenommen - nicht nur von jenen, die sich schon seit Monaten für einen Dialog mit dem Kartell von Medellin aussprechen, wie beispielsweise der Bürgermeister von Medellin, Juan Gomez Martinez, der das Kommunique „wunderbar“ fand. Auch die Präsidentschaftskandidaten der Liberalen, konservativen und linken Parteien begrüßten das Angebot der Mafia. Innenminister Lemos zeigte sich allerdings sofort skeptisch in der Frage der Auslieferung an die USA. Reuigen Kokainhändlern würden rechtsstaatliche Verfahren angeboten, ein Pakt käme nicht in Frage.

Damit war der Freudenstimmung ein erster Dämpfer aufgesetzt. Zwar haben die Kokainbosse in ihrem Kommunique nicht ausdrücklich verlangt, daß die Auslieferung der gefaßten Drogenhändler an die USA eingestellt wird. Dennoch steht es außer Frage, daß die Auslieferungspraxis das zentrale Problem in den Beziehungen zwischen der Regierung und dem Kartell von Medellin bleibt. In ihrem Schreiben erkannten die Drogenhändler die weitgehend ineffiziente kolumbianische Justiz an und ließen so durchblicken, daß sie sich ihr auch stellen würden. Als sicher gilt jedoch, daß die Kokainbarone nicht dazu bereit sind, an die USA ausgeliefert zu werden, und daß sie darüber hinaus auch versuchen werden, eine Amnestie zu bewirken. Auch bei Dialogversuchen 1984 und 1989 hatte sich das Medellin -Kartell zur Beendigung des Drogenhandels bereit erklärt wenn die Auslieferungen beendet würden. Präsident Barco hatte sich in seinen ersten zwei Amtsjahren keine größere Mühe gemacht, die zeitweise vom obersten Gericht für verfassungswidrig erklärte Auslieferung in Kraft zu setzen. Er muß nun entscheiden, ob er, troz des Drucks der USA, die Auslieferungen endgültig beendet und so versucht, dem blutigen und unbeliebten Drogenkrieg ein Ende zu bereiten.