Ein deutscher Ahne reicht nicht aus

■ Zurnerknungldeutscher Volkszugehöriger und Vertriebener müssen auch Spätgeborene „als Deutsche“ im Aussiedlungsland gelebt haben

Miroslaw P., Jahrgang 1957, ist seit Anfang September in Bremen. Er versucht seitdem, ein Anerkennungsverfahren als Vertriebener einzuleiten: als „deutscher Volkszugehöriger aus Westpreußen“. Miroslaws Vater hat den äußerst lukrativen Vertriebenenausweis bereits in der Tasche und damit u.a. Anspruch auf Lastenausgleich, sofortiges Wahlrecht, Anrechnung von Beschäftigungszeiten in der bisherigen Heimat in der Arbeitslosen-und Rentenversicherung u.v.m.

Miroslaw P. wußte nicht, daß die deutsche Volkszugehörigkeit keineswegs (wie die Staatsangehörigkeit) vererbbar ist, daß für ihn nicht automatisch dieselben

Rechte gelten wie für den Vater. Schon im Aufnahmelager Friedland mußte der als Tourist eingereiste vermeintliche Deutsche erfahren: „Die Voraussetzungen zur deutschen Volkszugehörigkeit konnten nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden.“ Der Hinweis auf den anerkannten Vater reichte nicht.

Miroslaw P. erhielt statt des erhofften Registrierscheins nur einen Aussetzungsbescheid: Ob er trotz seiner beruflichen und gesellschaftlichen Stellung „von Vertreibungsmaßnahmen“ betroffen ist, sollen nun die örtlichen Vertriebenenbehörden prüfen. Miroslaw P. war seit 1976 Berufssoldat bei den polni

schen Streitkräften, wo er bei der Einberufung von Rekruten mitwirkte. 1987 trat P. (als Unteroffizier) aus der Armee aus, weil er (zusammen mit seiner polnischen Ehefrau) vorhatte, dem Vater in die Bundesrepublik zu folgen. Bis zu seiner Ausreise hatte P. dann als Berater für Militärangelegenheiten gearbeitet. Seine Zeugnisse belegen, daß er „besonders befähigt“ sei und entsprechend ausgezeichnet wurde. Eine vertreibungsbedingte Ausreise scheint bei P. deshalb nicht vorzuliegen.

Denn Vertreibungsmaßnahmen sind nach höchstrichterlicher Rechtssprechung „der fortdauernde gegen die Bevölkerung ge

richtete Vertreibungsdruck, der sich vor allem in der Vereinsamung der in den von der deutschen Bevölkerung weitgehend entvölkerten Vertreibungsgebieten Zurückgebliebenen niederschlägt“. Aufgrund seiner beruflichen und gesellschaftlichen Stellung scheint Miroslaw P. keineswegs „vereinsamt“: Seine Familie scheine voll in die Gesellschaft des Aussiedlungsgebietes integriert gewesen, hatten die Sachbearbeiter in Friedland in ihrer Vorprüfung seines Aufnahmeersuchens festgestellt. Miros

law P. wird also nach Polen zurückkehren - oder ein (wenig erfolgversprechendes) Asylverfahren anstrengen müssen.

Die P.s aus Westpreußen sind nur ein Einzelfall. Ihr Beispiel zeigt aber auch, daß zur Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit sogenannter Spätgeborener eine Ahnentafel nicht ausreicht. Das Bundesvertriebenengesetz fordert den „Bekenntniszusammenhang“ bis hin zum Aufnahmesuchenden. Strenggenommen muß auch er laut Rechtsprechung „das Bewußtsein und den

Willen“ belegen, „Deutscher zu sein und keinem anderen Volkstum anzugehören.“

Sozialsenator Scherf hatte angekündigt, per Dienstanweisung seine Behörden zur strengeren Auslegung des Bundesvertriebenengesetzes zu verpflichten und verstärkt auf diesen Bekenntniszusammenhang zu achten. Da jedoch Bundesinnenminister Schäuble für Ende Januar Veränderungen in den Sozialleistungen für Aus- und Übersiedler angekündigt hat, liegt Scherfs Vorhaben zunächst auf Eis.

ra