Chamäleoneffekt: AL wird grün

■ Die Alternative Liste soll zum Landesverband der Grünen werden/Würde in Berlin zum Bundestag gewählt, wären die AL-Stimmen verloren/Kritische Distanz

Die Alternative Liste Berlin wechselt möglicherweise die Farbe. Der Parteivorstand der Liste hat am Donnerstag abend beschlossen, Landesverband der Grünen Partei zu werden. Ein entsprechender Vorschlag soll am nächsten Mittwoch dem Delegiertenrat unterbreitet werden. Hintergrund ist die Debatte um die Bundestagswahl im Dezember dieses Jahres. Nachdem inzwischen bekannt wurde, daß die Bonner Regierungskoalition an der Änderung des Wahlgesetzes bastelt, wird die Wahrscheinlichkeit, daß die Berliner ihre Abgeordneten direkt wählen können, größer. Die drei Westalliierten haben ihre Zustimmung von einer gesetzlichen Regelung abhängig gemacht. Die Sowjets halten sich völlig bedeckt.

Für die AL bedeutet die Teilnahme Berlins an den Bundestagswahlen nicht nur, daß sie einen Wahlkampf organisieren muß. Sie muß auch überlegen, wie sie ihre Stimmen bundesweit in die Waagschale werfen kann. Denn tritt sie als eigenständige Partei an, schafft sie die Fünf -Prozent-Hürde nicht, und die Stimmen sind für die Grünen verloren. Da hilft nur der Zusammenschluß, und den soll die Partei nach dem Willen des GAs beschließen.

Ob die AL-Basis, die immer stolz auf ihre Unabhängigkeit war, und sich zumindest früher rot von der grünen Bundespartei abgehoben hat, diese Kröte schlucken wird, wird die Diskussion der nächsten Wochen zeigen. Zumal viele in der Partei der Direktwahl mißtrauisch gegenüberstehen. Die Fraktionärin Renate Künast hat in der letzten Debatte im Abgeordnetenhaus zwar bestätigt, daß es sich dabei um einen Schritt hin zur Demokratisierung handle, hat aber auch auf die besondere Verantwortung Berlins hingewiesen. Der Status Berlins müsse erhalten und gar ausgebaut werden, forderte sie und meint damit die weitere Entmilitarisierung der Stadt. Künast will auch das Verbot von Rüstungsgütern und Rüstungsforschung festhalten.

Spätestens hier hört im Abgeordnetenhaus der Konsens auf. Der CDU Fraktionsvorsitzende Diepgen fordert inzwischen den Wehrdienst auch für Berliner. Und im besonderen parteipolitischen Interesse haben die Christdemokraten die Gleichstellung der Berliner im Bundesrat „vergessen“. Würde Berlin dort Stimmrecht bekommen, verlöre die CDU ihre Mehrheit in diesem Ländergremium.

bf