: Marketing-Konzepte für Turbine Potsdam
■ Interview mit Heinz Czerwinski, dem Hauptgeschäftsführer der vom Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB) der DDR gegründeten „Sportagentur GmbH“, die durch geschickte Vermarktung Devisen ins Land bringen soll
taz: Herr Czerwinski, soll Ihre Sportagentur den Abgang der DDR-Sportstars aufhalten?
Heinz Czerwinski: Wenn Sie das Wirken der Agentur auf den Spitzensport reduzieren, sehen Sie die ganze Sache zu einseitig. Wir sehen unsere Aufgabe darin, neben dem Leistungs- auch den Breiten-, Kinder- und Jugendsport durch Werbemaßnahmen, durch Sponsoren-, Förderungs- und Ausstatterverträge zu unterstützen.
Denken Sie da in erster Linie an Westunternehmen?
Mit den Veränderungen in der DDR wird auch die Industrie neue Konzepte entwickeln. Dazu zählt ganz bestimmt das Marketing, um im In- und Ausland den Bekanntheitsgrad und folglich die Umsätze von DDR-Produkten zu steigern. Das Marketing liegt bei uns ja zur Zeit noch weit unter Weltniveau, aber natürlich werden sich in Zukunft auch die Werbestrategien unserer Unternehmen des Sports bedienen. Was für Fuji-Film gilt, gilt auch für Orwo. Darin liegt eine große Chance für den Sport in der DDR.
Die Voraussetzungen sind schlecht: Für Westunternehmen dürfte der Anreiz, sich als Sponsoren zu engagieren, gering sein, weil für ihre Produkte noch die Kaufkraft fehlt, auf der anderen Seite sind nur wenige Produkte der DDR-Industrie exportfähig.
Möglicherweise ist das anfänglich noch ein Problem. Aber wenn ich mir beispielsweise das Programm ansehe, das die Dresdner Bank für Dynamo Dresden entwickelt hat, dann glaube ich, daß sich aus den Gemeinschaftsvorhaben der Wirtschaft auch Gemeinschaftsvorhaben des Sports entwickeln werden. Außerdem: Der Sport in der DDR war schon immer eng mit der Wirtschaft verknüpft. Wenn man sagen kann, daß in den USA die Universitäten Träger des Sports sind, in der Bundesrepublik die Vereine, dann ist es bei uns der Betriebssport. Das erkennt man schon an Namen wie Carl Zeiss Jena, Robotron Dresden, Wismut Aue oder Turbine Potsdam. Wenn jetzt zu der Namensgebung noch Marketing hinzukommt, dann sehe ich gerade für mögliche Joint-ventures große Chancen.
Aus der Vermarktung des Spitzensports sollen Mittel in den Breitensport fließen. Wie soll das gehen?
Wir sind eine GmbH und marktwirtschaftlich orientiert. Über eine Gesellschafterversammlung werden die Reinerlöse am Ende eines Jahres zur Verteilung kommen und wir hoffen, daß die Gewinne so groß sind, daß ein Teil auch zum Beispiel den Versehrtensportlern zufließen kann, damit die an internationalen Wettkämpfen teilnehmen können. Das gilt natürlich auch für andere Sportler, die nicht unmittelbar im Mittelpunkt stehen, also nur schwer mit Sponsoren ins Geschäft kommen, wie die Federballer oder Bogenschützen.
Die „Sportagentur GmbH“ hat sich aus den Strukturen der umfassendsten Sportorganisation der DDR entwickelt, des DTSB. Heißt das, daß in Sachen Vermarktung kein Weg an der Agentur vorbeiführt?
Wir sind wie gesagt eine GmbH, und die Voraussetzung dafür, daß wir für einen Verband oder einen Verein tätig werden, ist dessen Mandat, dessen freiwillige Mitgliedschaft. Erst dann können wir den jeweiligen Partner beraten und ihm zum Beispiel bei Vertragsabschlüssen juristisch zur Seite stehen. Geplant ist außerdem, daß es in den Mitgliedsverbänden und -vereinen jeweils einen Handlungsbevollmächtigten geben wird, der sich dann mit den kommerziellen Belangen befaßt, der mit uns in engem Kontakt steht und auch an von uns organisierten Schulungen teilnimmt.
Das müßte alles verhältnismäßig schnell greifen, ansonsten droht dem DDR-Sport wohl ein enormer Aderlaß. An welchen Projekten arbeiten Sie konkret?
Wir sind mit einigen Firmen der Welt im Gespräch, außerdem sind die Kontakte zur Marketing-Firma der olympischen Bewegung, ISL, sehr gut, wobei uns natürlich die möglichen Olympischen Spiele in Berlin im Jahr 2000 oder 2004 sehr zugute kommen. Dazu wird es demnächst viele Gespräche geben. Wir meinen, es ist klug, sich solcher Gesellschaften zu bedienen. Deren große Erfahrung erspart es uns, allzuviel Neuland betreten zu müssen. Ganz konkret werden wir in diesem Jahr zum erstenmal die Chance haben, den Olympischen Tag der Leichtathletik so zu organisieren, wie wir es bislang nur von den großen Stadionfesten in Zürich, Köln, Oslo oder dem Istaf in West-Berlin kennen. Uns liegen mehrere Angebote von Sponsoren vor.
Heißt das, daß Sie Startgelder in Devisen zahlen werden?
Ja. Erstens schreibt es die Internationale Föderation so vor und zweitens ist es auch ein Gebot der Fairneß, Devisen auszuzahlen, wenn wir welche einnehmen. Außerdem wollen wir chancengleich mit allen anderen Organisatoren solcher Meetings auftreten.
Der Weg, auf dem am schnellsten Geld in die Kassen des DDR -Sports fließen kann, ist der des Transfers von Spitzensportlern ins westliche Ausland. Wird sich die Agentur damit befassen?
Bis jetzt haben die Vereine und Verbände in Sachen Transfers selbständig gehandelt. Wir empfehlen jedoch, das in Abstimmung mit uns zu tun. Es müssen ja nicht nur die Statuten der internationalen Verbände beachtet werden, sondern auch die Fragen des Arbeitsrechts und des Versicherungsschutzes. Zudem sollte auch an die soziale Absicherung der Athleten gedacht werden.
Bislang war der DDR-Sportler, wenn er auf dem Treppchen stand, nach offizieller Version überlegen, weil der „realexistierende Sozialismus“ den anderen Gesellschaftssystemen überlegen war. Profis gab es in der DDR nicht. Wenn jetzt so viel von Sponsoren, Marketing etc. die Rede ist, wird auch das Wort „Profi“ im DDR-Wortschatz auftauchen?
Wenn jemand bei den Amateuren Weltmeister oder Olympiasieger geworden ist, und es gibt außerhalb des Amateursports noch einen Personenkreis, der in der betreffenden Sportart um Höchstleistungen ringt, vom Boxen einmal abgesehen, dann sollte man auch einem DDR-Sportler die Chance geben, sich mit diesen Leuten zu messen.
GmbH ist die Bezeichnung für ein Wirtschaftsunternehmen. Arbeiten Sie auf Provision?
Wir beziehen durch die Gesellschafterversammlung festgelegte Gehälter. Ich könnte mir aber schon vorstellen, daß, wenn die Bilanz am Ende des Jahres zeigt, daß wir viel für den Sport getan haben, darüber nachgedacht werden könnte, ob der eine oder andere Mitarbeiter prämiert oder mit einer Provision bedacht werden sollte. Aber diese Frage würde ich gern am Ende des Jahres noch einmal hören.
Also gut, bis dann!
Das Gespräch führte Theo Breiding
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