Kaukasus in Flammen oder: „Spengler hat recht“

 ■ D O K U M E N T A T I O N

Die aserbaidschanischen Kampfgruppen haben weder das Rote noch das Grüne Buch dabei. Sie sind ausgerüstet mit einer Sonderform panislamischer Ideologie. Dokumentiert in folgendem Artikel. Unter der Überschrift „Kaukasus in Flammen“ veröffentlichte die litauische Zeitung 'Atgimimas‘ (Übereinstimmung) Reportagen aus Armenien und Aserbaidschan. Zu Wort kam auch Hamid Cherischtschi, einer der Ideologen der aserbaidschanischen Volksfront, Mitarbeiter des Literaturinstitutes der aserbaidschanischen Akademie der Wissenschaften. Wir halten es für richtig, dieses atemberaubende Dokument von Völkerhaß abzudrucken.

„Die aserbaidschanische Volksfront betrachtet die UdSSR als dualistischen Staat: islamisch-christlich; oder genauer türkisch-slawisch. Darum haben wir eine völlig andere Taktik als die baltischen Völker. Wir ziehen nicht einmal den Austritt aus der UdSSR in Betracht, weil das für uns der Austritt aus der türkischen Einheit wäre. Aber zugleich wäre ein Austritt der baltischen Republiken für uns vorteilhaft: es wären drei europäische, christliche Völker weniger. Das verstärkt den islamischen Einfluß in der UdSSR. Davon ausgehend, müssen wir mit Aufmerksamkeit ihre (der Balten) Anstrengungen betrachten. Für die Moslems ist ein Zerfall der UdSSR und zugleich der Zerfall der türkischen Einheit nicht von Vorteil. Aserbaidschan, Kirgisien, Kasachstan, Baschkirien, das Wolgagebiet, Tatarien, Jakutien, Turkmenistan, die Krim, der nördliche Kaukasus - das ist alles türkische Erde. Und wir haben nicht die Absicht, sie irgend jemanden abzutreten. Als die existierenden pseudodemokratischen Bewegungen ihre Taktik im Kampf gegen den Totalitarismus der UdSSR abstimmten, war unsere Meinung nicht interessant - und jetzt arbeiten wir mit ihnen nicht zusammen. So wie auch nicht mit verschiedenen Sicherheitsorganisationen im Ausland. Wir haben andere Ziele, eine andere Taktik. Obwohl wir keineswegs gegen Demokratie sind.

Die türkischen Völker leben bedeutend schlechter als Sie im Baltikum. Bei Ihnen ist das Paradies, verglichen mit uns. Gehen Sie einen Kilometer weit über usbekische Erde, und Sie fühlen die Tragödie, spüren, welche Wut im Volk reift. Ein 25-Millionen-Volk ist an den Grenzen angekommen. Und die Kasachen? Da sagen wir nur „Karabach, Karabach“! Denn schließlich hat man ein dreifach größeres Territorium Kasachstan genommen, als Atomtestgelände. Das ist auch auf seine Art ein autonomer Kreis, nur eben eine militärische. Wenn ich mit Kasachen und Kirgisen rede, weine ich manchmal. Obwohl ich ein unsentimentaler, harter Mensch bin. Ich liebe es, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Das lehrt uns unsere Religion, unser türkischer Charakter ist dergestalt - man muß in jedem Fall mannhaft sein. Ich war im Fernganatal, in Aschabad, Kasan, Taschkent, aber ich habe nicht die Kraft, das dort Gesehene zu beschreiben. Man hat unsere Erde in eine Hölle verwandelt. Die Fabriken sind schlecht, die Lebensbedingungen schädlich. Aber sehen Sie sich die Fabriken in Iwanowo an: Sauberkeit, Ordnung, Überweisungsscheine zur Gewerkschaftskur, Frauen in Kittelchen. Uns sitzen sie auf dem Hals, mit usbekischer Baumwolle arbeiten sie. Aber irgendwann packen wir sie an der Gurgel: „Was, ein gutes Leben habt ihr euch aufgebaut? Seht euch an, wie unsere Frauen in 40 Grad Hitze arbeiten, wo sogar die Hunde in den Schatten kriechen. Aber die Menschen sind unter der sengenden Sonne. Bei ihnen vollzieht sich alles mit Hilfe gesetzgeberischer Akte. Bei Ihnen sind die Fabriken in den Händen der Russen, und drum streiken auch nur die Russen. Bei uns, in den türkischen Republiken, sind alle Fabriken in den Händen des Volkes. Unsere grundlegendsten Waffen sind Streiks und bürgerlicher Ungehorsam. Der ökonomische Niedergang, mit dem sie einschüchtern, macht keine Angst. In Aserbaidschan unterstehen 93 Prozent der Industrie Moskau und nur 7 Prozent der Republik. Die Russen dachten, daß wir leiden würden - und saßen selbst in der Falle. Ich war Mitglied der Streikleitung und habe mit eigenen Augen die Telegramme Ryschkovs und Jasows gesehen. Dort in Moskau herrschte Panik. Fast alles Öl, 95 Prozent aller Schmiermittel, die Hauptkomponenten für Flugbenzin (dabei für Militärflugzeuge), das alles wird bei uns produziert. Am 16. August haben sich die Intellektuellen mit einem Aufruf ans Volk gewandt, alle Kräfte - die politischen und die geistigen - in einer Faust zusammenzufassen. Und die Volksfront ist dies geworden. Ja, in unserem Kampf sind Elemente des Dschihad: der ganzen Welt zeigen, daß wir bis zum Ende gehen werden. Daß wir besser auf dieser Welt nicht leben, wenn wir verlieren. Es kommt den Russen so vor, als ob die Aserbaidschaner den Heiligen Krieg erklärt hätten. Bisher aber ist diese mächtige Waffe nicht nötig - wo alle in den Kampf ziehen, große wie kleine und die Frauen dazu. Und wer stirbt, kommt nach unserem Glauben ins Paradies. Es ist möglich, friedlichere, demokratischere Mittel der Einwirkung zu nutzen. Da gibt's zum Beispiel die Verkehrsblockade, vor allem die Eisenbahnblockade, das Wirtschaftsembargo. Achten Sie darauf, daß unser Kampf dem des arabischen Volkes gegen Israel ähnelt: sagen wir, das Ölembargo haben die und wir. Wir haben es gegenüber Armenien, Georgien und Rußland erklärt. Am 15. Juli haben die Armenier mit der Blockade Nachitschevans und der aserbaidschanischen Siedlungen in Nagorny Karabach begonnen. Aber sie haben diesen Krieg verloren, als wir unsererseits mit Blockaden begannen. Sie globalisieren das Karabach -Problem. Sie sagen den Russen und den Balten, daß ein mit Armenien vereinter Bezirk der Präzedenzfall eines Ausweges aus ungerecht geregelten Grenzfragen ist. Aber wenn wir nun das Problem definieren und es globalisieren als Konflikt des Christentums mit dem Islam - was dann? Da suchen die Armenier Hilfe außerhalb: schrieben einen Brief an die UNO, an den Papst in Rom, an den amerikanischen Kongreß. Aber wir, entsprechend unserer Religion, hoffen nur auf uns selbst. Obwohl wir wissen, daß hinter uns die ganze islamische Welt steht, der Iran, die Türkei. Für die Armenier ist das Wichtigste, nicht Auge in Auge am Verhandlungstisch zu sitzen. Sie brauchten unbedingt Publikum: daß die Balten teilnehmen oder die Moskauer. Tatsächlich müssen die zwei Völker entscheiden. Die Armenier haben ihren Kampf verloren, aber nie werden sie es dem Volk offen sagen. Im Grunde sind alle ihre Handlungen schieres Abenteurertum.

Überhaupt, der Westen neigt sich seinem Untergang entgegen. Spengler hatte im wesentlichen recht. Die Wiedergeburt kommt aus dem Osten. In einigen arabischen Ländern ist das Paradies auf Erden errichtet. Im Iran ist beispielsweise der Lebensstandard bedeutend höher als der europäische. Ich war in diesem Land und habe gesehen, wie hoch dort die Kultur ist, welche Verantwortung das Volk für die Heimat hat, welche echte Religiosität. Wenn die Entwicklung der Weltgeschichte so weitergeht, dann wird sich, denke ich, die Landkarte binnen 20 Jahren sehr verändern. Jetzt hat man Panik um Armenien veranstaltet. Aber achten Sie darauf: Ihre Niederlage hängt viel mit der Niederlage aller christlichen Kräfte überhaupt zusammen. Die Leute, die von der Idee des europäischen Hauses sprechen, wollen einfach den Ost-West durch den Nord-Süd-Gegensatz ersetzen. Und die UdSSR an sich binden. Wer schlägt das vor? Fran?ois Mitterand, von 1954-58 Außenminister Frankreichs war und eine direkte Beziehung zum Massenmord an den islamischen Mudschaheddin in Algier hat. Dieser Mensch, der die Hände bis zum Ellenbogen in Moslemblut hat, redet von den Menschenrechten! Die Idee des gemeinsamen europäischen Hauses wird ein Fiasko erleiden, denn dieses Haus bringt einen Riß in die UdSSR. Ohne Tragödie geht das nicht ab. Und was Bürgerkrieg und moslemische Welt betrifft, so befördern sie die Einheit der türkischen Völker, die Befestigung des Islam.

Übersetzung Gisbert Mrozek, Moskau, 17.1.1990