: Mit dem Transrapid schneller nach Tokio
Der neue Zug zwischen Fliegen und Fahren fördert in NRW allein den Flugverkehr / Klares Jein der NRW-Landesregierung / Heute Aktionstag der Bürgerinitiativen ■ Aus Essen Bettina Markmeyer
Die frischgegründete Bürgerinitiative in Ratingen bei Düsseldorf sagt's auf ihre Weise: „Wer fährt? Wer zahlt? Wer leidet?“ Die Antwort: PendlerInnen, Hausfrauen, SchülerInnen fahren nicht. Sie zahlen aber, nämlich Steuern, und leiden als AnwohnerInnen entlang der geplanten Transrapidstrecke unter Lärm und Umweltzerstörung. Fahren hingegen werden die zwischen den Flughäfen dieser Welt hin und her eilenden Geschäftsleute. Sie zahlen dafür nicht das, was Transrapid kostet, und der Verkehrs- und Fluglärm dringt nicht bis zu ihren vornehm abseits gelegenen Wohnstätten. So steht's im Flugblatt der Bürgerinitiative, das an diesem Samstag, dem ersten Aktionstag gegen Transrapid an Infoständen in Ratingen und Lintorf verteilt wird.
Wenn die Ratinger TransrapidgegnerInnen es mit den SteuerzahlerInnen auch nicht so genau nehmen, bringen sie die Sache doch auf den Punkt: Forschungsminister Heinz Riesenhuber, angeschoben vom Transrapid-Konstrukteur Thyssen, will die Bevölkerung zwischen Rhein und Ruhr für ein Fortbewegungsmittel zur Kasse bitten, das ihr selbst wenig nützt.
Milliarden sollen Land, Kreise und Städte aus Steuergeldern aufbringen. Noch sagt die Landesregierung „nein“ zu den von Bonn geforderten Subventionen. Was wird sie nach der Landtagswahl sagen? Die AnwohnerInnen entlang der geplanten Trasse zwischen Essen, Düsseldorf, Köln und Bonn trauen den GenossInnen nicht über den Weg.
Über 70 Initiativen haben sich gegen den „Tiefflieger auf Schienen“ schon gebildet, viele wie die in Ratingen erst in den letzten Wochen. „Noch vor zwei Wochen“, sagt Inge Geugelin, „wußte ich nur, daß Transrapid ein Schnellzug ist.“ Inzwischen gehören sie und ihr Mann zu den Aktiven, haben sich informiert über Trassenführung und Flächenverbrauch des „Monsterprojekts“, können sich Lärm und den Anblick des auf Betonstelzen durch die Lande rasenden Superzuges „von unserem Schlafzimmerfenster aus“ vorstellen.
82 Kilometer lang wäre die Strecke zwischen Essen und Bonn insgesamt, 55 Kilometer zwischen den Flughäfen sind zunächst geplant. Baubeginn und damit Beginn „eines neuen Verkehrszeitalters“ soll 1992 sein, so die euphorische Prognose von Thyssen Henschel am 21. Dezember letzten Jahres nach dem Kabinettsbeschluß für die nordrhein-westfälische Vorzeigestrecke. Entlang der Autobahn 52 soll die Transrapidstrecke vom Essener Hauptbahnhof in Richtung Düsseldorf führen, dann östlich an der Stadt vorbei über Hilden, Langenfeld und Opladen, an Leverkusen vorbei und wiederum östlich an Köln und westlich am Flughafen Köln/Bonn vorbei nach Bonn. Widerstand gibt es überall.
Im Essener Süden würden zwei wertvolle Talbereiche beiderseits der Margarethenhöhe zerstört. In Düsseldorf -Grafenberg wehrt sich eine starke BI gegen die „Verlärmung“ ihres Wohngebiets, ebenso wie man auch in anderen Stadtteilen der Landeshauptstadt den Transrapid nicht im eigenen Garten haben möchte. Am Unterbacher See, einem Naherholungsgebiet, sollen Parkplätze für den Transrapid -Bahnhof Düsseldorf-Eller entstehen, hier protestieren alteingesessene Initiativen. Der bitterste Verlust droht im Naturschutzgebiet Wahner Heide rund um den Köln/Bonner Flughafen, das über 500 Rote-Liste-Arten beherbergt und seit Jahren von stillen, kenntnisreichen und zähen NaturschützerInnen betreut und verteidigt wird.
Einschneidender als die unmittelbaren Zerstörungen und Belastungen jedoch und verkehrspolitisch katastrophal sind nach Einschätzung der Grünen und des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) die Sekundäreffekte der Transrapid -Vorzeigestrecke. Der gepriesene Zukunftszug, dient in Nordrhein-Westfalen allein dem Ausbau des Flugverkehrs.
Der Düsseldorfer Flughafen ist überlastet, Köln/Bonn hat noch Kapazitäten frei. Mit Transrapid ließe sich ein Ausgleich schaffen, die vielbeschworenen 15 Minuten Fahrzeit sollen beide Flughäfen zu einem Luftkreuz mit internationaler Bedeutung verbinden. So steht's im Konzept der „Anschubgruppe“ und so wollen es die Spitzengenossen: „Die Landesregierung wird alles daran setzen, die Luftverkehrsbasis Nordrhein-Westfalen... Bedarfs- und nachfragegerecht für das Jahr 2000 weiter zu entwickeln“, ließ die Regierung im Dezember 1988 auf eine SPD-Anfrage zur Zukunft des Flugverkehrs wissen. Strukturwandel, Standortverbesserung und Binnenmarkt lauten die Zauberworte, das Luftkreuz in NRW soll mit den Benelux-Flughäfen konkurrieren.
Für all die Normalmenschen, die täglich zwischen den Rhein und Ruhrstädten im Stau stehen oder mit S-Bahnen und Bussen das Abenteuer verpasster Anschlüsse riskieren, ist der Flughafenzug Transrapid hingegen völlig ungeeignet. Alle Haltestellen, mit Ausnahme von Essen, liegen weit weg von den Zentren. Allein die Verkehrsströme zu den Flughäfen rechtfertigten jedoch niemals den ökonomischen Aufwand für Transrapid, kritisiert Sauter, ganz abgesehen von den ökologischen Schäden. Auf der Anhörung am kommenden Mittwoch in Bonn, will er zeigen, daß und wie die Anschubgruppe mit Fahrgastzahlen und Einnahmen herumjongliert, um Rentabilität vorzutäuschen. 3,6 Milliarden Mark sind allein für die Flughafenverbindung angesetzt, Kostensteigerungen während des Baues nicht gerechnet.
Angesichts der „Gefahr eines dritten Miiliardengrabes in NRW“ forderte Reinhard Loske von den Grünen die NRW -Landesregierung auf, sich gegen Transrapid zu erklären „bevor eine Menge Geld wie in Kalkar und Hamm verloren geht“.
Kleine Städte wie Ratingen und Langenfeld haben bereits Beschlüsse gegen die Transrapid-Trasse vor ihrer Haustür gefaßt, auch in Hilden sind SPD und CDU fürs neue Verkehrszeitalter nicht zu haben. Die Städte Köln und Düsseldorf wollen den Schnellzug für ihre Flughäfen und ihr Image. Düsseldorfs Oberbürgermeister Bungert hat für ein Hearing am 31.Januar schwerpunktmäßig Transrapid-Befürworter eingeladen. Essen hält's mit der Landesregierung und eiert herum. Für die Landes-CDU ist indessen mal wieder „die Krankheit von Nordrhein-Westfalen“ ausgebrochen, wie ihr Generalsekretär Helmut Linssen konstatiert: „Man ist erst dafür, und wenn es Proteste gibt wieder dagegen“.
Bis zum 13. Mai, an dem die Landtagswahlen stattfinden, wird man aus Düsseldorf nichts anderes zu hören bekommen, als ein deutliches Jein. Mit Bedacht ist denn auch der Termin gewählt, an dem Transrapid-Fan Riesenhuber einen neuen Anlauf nehmen will, um die Finanzierungsfrage zwischen Land NRW, Flughafengesellschaften, Gebietskörperschaften und Privatwirtschaft zu klären: der 31. Mai 1990, drei Wochen nach der Wahl.
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