Mauerhunde vor dem Kochtopf gerettet

■ Ein tierisches Schicksal: Vom Wachhund des Sozialismus zum Schoßhund der Bourgeoisie

Der Strom der Übersiedler aus der DDR reißt nicht ab. Nach langen Verhandlungen ist es gelungen, für 2.500 weitere DDR -BewohnerInnen eine Ausreisegenehmigung in die Bundesrepublik zu erwirken. Das Interesse an den potentiellen Ausreisern war riesig. Neben bundesdeutschen Stellen bemühten sich US-Amerikaner, Spanier und sogar Koreaner um die DDR'ler. Vergeblich: Die Bundesrepublik bekam den Zuschlag und so sitzen die ersten 10 Übersiedler seit Samstag morgen in der Bremer Hemmstraße hinter Gittern, teilweise mit hängenden Ohren, teilweise recht vergnügt und bisweilen bellend.

Die sich da jetzt der westlichen Freiheit im Übergangswohnheim erfreuen, waren bis zum neunten Novemeber des letzten Jahres treue und servile Diener des sozialistischen Staates und gleichzeitig deutsch wie es deutsch nur geht: Eben typische Schäferhunde. 6.500 waren im SED-eigenen Betrieb „Wir bewachen unser sozialistisches Vaterland“ an der deutsch-deuschen Grenze eingesetzt.

Dabei hatte sich die SED etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Entgegen ihres schlechten Rufes als gefährlich bissiges Viehzeug

waren nämlich 4.000 der Hunde schlicht Attrapen, zwar lebendig, aber völlig harmlos. Die abgerichteten 2.500 kann die DDR noch gut für den „Objektschutz gebrauchen. Aber was tun mit den anderen: Die Errichtung von Hundefarmen steht schließlich auf der Tagesordnung der Erneuerung des Landes erst so ziemlich an aller hinterletzter Stelle.

Da kam der deutsche Tierschutzbund zu Hilfe. Deren Geschäftsführer Wolfgang Apel war zu Ohren gekommen, daß sich da ganz finstere Machenschaften abzeichneten. Den zur Verfügung stehenden Variationen Souvenier (USA-Interesse), Tierversuch (Spanisches Interesse) und Kochtopf (Koreanisches Interesse) setzte Apel eine unschlagbares Angebot entgegen: Ein Heim in einer richtigen bundesdeutschen

Familie. Und da auch die Verantwortlichen bei der Nationalen Volksarmee und im Handelsministerium der DDR keine Untiere sind stimmten sie zu und überließen die Tiere sogar kostenlos den bundesdeutschen Tierschützern.

„Ich würde mich mit denen in einen Zwinger sperren lassen“, wollte Apel am Samstag vor reichlich Presse gar seinen eigenen Leib zur Ehrenrettung der Tiere in die Waagschale werfen. Aber das verlangte niemand. Wie die Schoßhündchen präsentierte sich die vierbeinige Vorhut der DDR -Grenztruppen den Fotographen, allenfalls etwas verunsichert angesichts der bisher ungewohnten Publicity.

Wenn sich die Bremer Tierschützer bis Mitte der Woche davon überzeugt haben, daß die Tiere auch psychisch in aller be

ster Ordnung sind, werden sie abgegeben, selbstverständlich nur in gute Hände, versteht sich. Eine bestimmte Kleidung ist dabei nicht Voraussetzung. Apel: „Die kann man auch ohne Uniform nehmen.“

Immerhin 500 Interessierte haben nach Bekanntwerden der vierbeinigen Aussiedlerwelle bereits telefonich nachgefragt, ob und wie denn so ein Tier zu bekommen ist. Mit Grund: Im Gegensatz zu ihren westdeutschen, überzüchteten Artgenossen haben die DDR-Hunde einen wesentlichen Charaktervorteil, eine unverbogene Wirbelsäule. Gute Voraussetzung, den Sprung vom Wachhund des Sozialismus zum Schoßhund der Bourgoisie einigermaßen unbeschadet zu überstehen.

hbk