Dr. Lill besserte nach

■ Heute debattiert SPD-Fraktion „Treibjagd“ auf die Genossin / Drei Geburtsfehler und fünf böse Feen

SPD-GenossInnen und „Weser-Kurier„-Redakteure bliesen Freitag zur Treibjagd auf die Zuwandererbeauftragte Dr. Dagmar Lill. Unter der Überschrift „Parlamentarier ziehen nun die Daumenschrauben an“ wurden genüßlich anonyme „Parteitaktiker“ zitiert, die ihre Genossin Dr. Lill in die Bürgerschaft versetzen wollen. „Das ist regelrechte Vernichtung“, empörte sich eine SPD-Abgeordnete. Lills Gegner dagegen konnten bei der Morgenlektüre eine klammheimliche Freude kaum verhehlen. Die Treibjagd hat Folgen: Heute wird die SPD-Fraktion mit Dagmar Lill debattieren.

Die giftigen Pfeile haben getroffen. Dagmar Lill bereut mittlerweile, daß sie sich von ihrem schönen „trockenen“ Abteilungsleiterposten im Arbeitsressort an die Spitze der neugeschaffen „Zentralstelle für die Integration zugewanderter Bürgerinnen und Bürger“ begeben hat. Doch hier will sie jetzt ausharren und betont: „Ich werde nicht für die Bürgerschaft kandidieren.“ Ausharren will Dagmar Lill auch auf dem

ehrenamtlichen Vorsitz im SPD-Unterbezirk West, hier stehen für Ende Februar Neuwahlen an.

Die „Zentralstelle für Zuwanderer“ war von der Ausländerkommission der SPD seit langem gefordert worden. Doch als sie am 23. Oktober 1989 ins politische Leben trat, war sie mit zwei schweren Geburtsfehlern behaftet. Erstens war sie großzügig mit 8 1/2 Planstellen ausgestattet worden, während alle anderen mit ZuwanderInnen befaßten Ämter unter schreiender Personalnot litten. Der „Sozialneid“ war vorprogrammiert. Die „Zentralstelle“ wurde für die überstundengeplagten MitarbeiterInnen anderer Ämter zum Inbegriff des filzokratischen Luxus. Da konnte Dagmar Lill noch so sehr betonen, daß ihre Schreibtische nur aus einem Billig-Möbelhaus stammten. Der zweite Geburtsfehler: Der Bürgermeister berief die Leiterin der „Zentralstelle“ ohne öffentliche Ausschreibung und - wie bald ruchbar wurde - um sie aufgrund von persönlichen Animositäten im Arbeitsressort loszuwerden. Da nützte es Dag

mar Lill dann wenig, auf ihre langjährige Kompetenz als Ausländerpolitikerin hinzuweisen, das Stigma „Karriere über Parteischiene“ haftete. Kaum ein Genosse gönnte ihr den Aufstieg in die neue Gehaltsstufe „B 3“.

Kaum auf der Welt, machten mindestens fünf „böse Feen“ der „Zentralstelle“ das junge Leben schwer. Da war erstens der Sozialsenator Henning Scherf, der bereits auf der Eröffnungsfeier am 23. das böse Wort von der „Alibibehörde“ fallen ließ. Da war zweitens der Finanzsenator, der „die Dame“ schon lange nicht mehr grüßte und ihr den beantragten Sachetat von 400.000 Mark mißgönnte. Da waren drittens die SPD-GenossInnen aus dem Bremer Westen, denen die Kritik an der „Zentralstelle“ zu Paß kam, um zu versuchen, die Wiederwahl Dagmar Lills als UB-Vorsitzende zu verhindern („die tut zu wenig“). Da sind viertens all die GenossInnen, die sowieso noch nie recht eingesehen haben, warum für Ausländer, Aussiedler und Asylbewerber eigentlich etwas getan werden muß. Und da sind

fünftens all die überarbeiteten MitarbeiterInnen aus anderen Zuwanderer-Behörden, die sich dagegen sperren, sich von der „Zentralstelle“ „hineinregieren“ zu lassen. Und da ist schließlich Dagmar Lill selbst, die ihr Amt „blauäugig“ antrat, es versäumte, in die Offensive zu gehen und ein Konzept vorlegte, daß zwar langfristig die Fremdenfeindlichkeit abbauen kann, aber auf den aktuellen Zustrom der Aus-und Übersiedler nicht Bezug nahm. - Jetzt aber hat Dagmar Lill nachgebessert. Barbara Noack, SPD -Ausländerpolitikerin: „Wenn das neue Konzept kommt, setzen wir uns dafür ein, daß die Mittel entsperrt werden.“

Doch egal, wie die Debatte um Dagmar Lill ausgeht, den Schaden haben schon jetzt die Aussiedler, Ausländer und Asylbewerber. Denn die filozkratische SPD-Politik kann mit Sicherheit keine potentielle „REP„-Wählerin vom Sinn eines „Kanackenamtes“ zu überzeugen.

Barbara Debus