Ost-KiTas: Thälmann raus!

■ In Ost-Berlin heißt die KiTa Kindergarten / Wende im Spielzimmer / Männliche Erzieher gibt's nicht

KiTa heißt es in Berlin-West, Kindergarten in Berlin-Ost. Während in einem Teil der Stadt für einen Tarifvertrag, für bessere pädagogische Arbeit gestreikt wird, nimmt das Leben auf der anderen Seite seinen mehr oder weniger „gewendeten“ Lauf.

Alle Kinder in der DDR, von drei Jahren an bis zum Schulbeginn, können, wenn die Eltern es wünschen, einen Kindergarten besuchen. Das ist in der sogenannten Kindergartenordnung aus dem Jahre 1983 festgeschrieben. Plätze stehen ausreichend zur Verfügung, was nicht immer heißen muß, daß Sohn oder Tochter garantiert in dem Haus untergebracht werden, das Mutter und Vater auserkoren haben. Wünsche wie Wohn- und Arbeitsplatznähe berücksichtigt der Rat des Stadtbezirks jedoch bei der Vergabe. Auf jeden Fall können beide Elternteile und vor allem Alleinerziehende durch diese Sicherheit tagsüber ihren Beruf ausüben.

Etwa 98 Prozent der Ostberliner Gören machen von ihrem Besuchsrecht Gebrauch. Die Unterbringung in den staatlichen Einrichtungen ist kostenlos. Lediglich fürs Essen bezahlen die Eltern einen Anstandspreis. Im Kindergarten in der Puschkinallee 47 im Stadtbezirk Treptow kosten Frühstück, Mittagessen und Kaffeestündchen zusammen eine Mark pro Tag.

Ebenso wie in den anderen Einrichtungen in der Stadt betreuen Erzieherinnen die Kinder in der Zeit von sechs bis 18 Uhr, bei Bedarf bis 19 Uhr. Von wann bis wann entscheiden die Eltern. Elf Gruppen, insgesamt etwa 190 Mädchen und Jungen, verbringen in dem dreistöckigen Neubau ihren Tag: Spielzimmer mit Waschgelegenheiten, Turnraum, Garten und eigene Küche. Freilich, so super sieht es nicht überall in Ost-Berlin aus. In Altbaugebieten wie Prenzlauer Berg oder Mitte fehlt oft der hauseigene Spielplatz. Ebenso lassen die Räumlichkeiten doch manchen Wunsch offen, verfiel doch nicht nur Wohnsubstanz in den vergangenen Jahren.

Das konzentrierte Lernen, die Vorbereitung auf den Schulunterricht, nimmt nur wenig Zeit am Tage ein. Je nach Alter dauert die „Beschäftigung“ bei den Jüngsten 15, bei den Sechsjährigen dann 25 Minuten. „Wobei die Inhalte sehr unterschiedlich sind“, betont Waltraut Rosenthal, die Leiterin des Treptower Kindergartens. „Muttersprache, Zeichnen, Formen mit Modelliermasse, Bildbetrachtungen, Singen, Musik und Bewegung gehören dazu, ebenso wie gesellschaftliches Leben.“ Gerade in diesen Tagen ist das letztgenannte Gebiet von besonderer Bedeutung. Das staatliche Erziehungsprogramm hierfür wird zur Zeit stark überarbeitet, von Ballast und Überforderungen befreit.

„Beispielsweise standen ehemals führende Persönlichkeiten im Ausbildungsplan„“, erklärt Waltraut Rosenthal. „So sollten die Kinder durch das Buch Paul und Janni finden Teddy mit dem Leben von Ernst Thälmann vertraut gemacht werden. Diese Literatur ist frühestens für jüngere Schulkinder geeignet, für Fünfjährige aber nur totes Wissen und entfällt jetzt.“ Auch das Honecker-Bild im Treppenhaus ist seit einigen Wochen verschwunden. Statt dessen lächelt ein pausbäckiges Mädchen von der Wand.

Ausschließlich Frauen üben in Ost-Berlin den Erzieherinnenberuf für die Drei- bis Sechsjährigen aus. Dabei hätten die Frauen nichts gegen männliche Kollegen einzuwenden. Waltraud Rosenthal vertritt die Meinung, daß Männer, die sich intensiv mit der Kindererziehung beschäftigen, sich sogar stärker engagieren. Denn Frauen haben, trotz gesetzlicher Gleichberechtigung, auch die Hauptlast im Haushalt zu tragen. Wenn die eigenen Kinder krank sind, bleibt traditionell die Mutter zu Hause, was reine Frauenbetriebe bei Erkältungswellen vor zusätzliche Probleme stellt.

Aber auch die Ausbildungsstätten heißen „Pädagogische Fachschule für Kindergärtnerinnen“. Die ohnehin wenigen männlichen Bewerber wurden bisher abgelehnt.

Katharina Grell