SOS mit giftgrünen Grüßen aus Potsdam

■ Deponie Vorketzin: Potsdamer Umweltbehörde verlangte schon Ende November den Giftmüllstopp / „Massive Gesundheitsgefährdung“ durch Deponiegifte

Schon Ende November intervenierte die Potsdamer Umweltbehörde, um den Importstopp für giftigen Sondermüll durchzusetzen, den die DDR-Firma Intrac am Mittwoch ankündigte, den DDR-Umweltminister Diederich am Freitag aber wieder zu einer „Reduzierung“ der Importe abschwächte. In einem Brief an den Ratsvorsitzenden des Bezirks Potsdam, Tzschoppe, forderte die Potsdamer Bezirkshygieneinspektion (BHI) diesen Schritt schon Ende November.

Mit „soz. Gruß“ ist das Schreiben unterzeichnet, das BHI -Leiter Ritschel an den „Genossen Tzschoppe“ schickte. Unterzeichnet wurde er am 30.11.89 - daher die inzwischen nicht mehr gebräuchlichen Grußformeln. Hochaktuell hingegen ist die Forderung, die der BHI-Chef in seinem Brief formulierte: Den „sofortigen Anlieferungsstopp“ für die „schadstoffhaltigen und toxischen Abfälle der Stoffgruppen 3 und 4“ - gemeint sind die Westberliner Sonderabfälle. Auch für ein „baldiges Auslaufen“ der Hausmüllanlieferungen plädierte die Potsdamer Behörde. „An diesem Standort“, so ihr Argument, seien aufgrund der geologischen Verhältnisse „auch die Sickerwässer aus Hausmüll“ und ähnlichen Abfällen „nicht beherrschbar“. Die Kippe müsse deshalb geschlossen werden, bevor Ende 1994 die Verträge mit West-Berlin auslaufen.

Ähnliche Forderungen werden auch in einem internen Papier der Bezirks-Gewässeraufsicht erhoben. Im Gegensatz zu diesem Papier kursierte das Ritschel-Schreiben nicht nur intern, sondern ging nachrichtlich bis ans DDR-Umweltministerium. Ritschel erinnert in seinem Brief daran, daß seine Behörde bereits 8 Ketziner Trinkwasserbrunnen nahe der Deponie sperren mußte. „Die Beeinträchtigung weiterer Trinkwasserfassungen, u.a. auch des Wasserwerkes Erich -Weinert-Siedlung, zeichnet sich ab“, warnt der Hygieniker, „so daß künftig weitere Sperrungen folgen werden“. Wie die Potsdamer Gewässerschützer erwähnt Ritschel nicht nur die „hohen Salzfrachten“ aus der Deponie und die starke Belastung des Grundwassers mit „organischen Substanzen“, sondern auch die giftigen Schwermetalle, die sich in Pegelbrunnen nahe der Deponie bereits in hohen Konzentrationen fanden. „Mit einer verzögerten massiven Belastung von Grund- und Oberflächenwasser“ durch Blei, Zink und Chrom sei „zu rechnen“.

Experten der Hygieneinspektion vermuten, daß diese Giftstoffe in vier bis fünf Jahren in den Ketziner Trinkwasserbrunnen angelangt sind. Bremsen ließen sich die aus der undichten Deponie sickernden Gifte nicht mehr, heißt es in dem Ritschel-Brief. Doch ein Stopp der Mülltransporte könnte „die Gefahr einer massiven Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung“ und einer „irreversiblen Schädigung der Umwelt“ wenigstens „begrenzen“. (Siehe auch Seite 22)

hmt