: Kleinkind in Abschiebehaft
■ Eineinhalbjähriges Kind saß 17 Tage in Abschiebehaft und soll heute mit seinen Eltern ausgeflogen werden / Abschiebewelle von mehreren tausend Polen beginnt
Wenn der größere Teil der taz-Leserschaft diesen Artikel ließt, wird Sabrina Koziol (eineinhalb) nicht mehr in Abschiebehaft sitzen, sondern im Flieger nach Warschau, der heute um 9 Uhr startete. Zusammen mit ihrem Vater Wieslaw (35) und ihrer Mutter Barbara Piepiora (23) ist sie am 5. Janaur in der Ausländerbehörde verhaftet worden. Ihre Eltern waren in den Behördenbau zu einem Termin gekommen, bei dem es um ihre Anerkennung als Deutsche gehen sollte. Der Sachbearbeiter stellte noch fest, daß „eine weitere Sachaufklärung“ notwendig sei, um die „Volkszugehörigkeit“ zu klären, so der Rechtsanwalt der Familie Koziol, Rosenkranz. Mit diesem Fall läutet Innensenator Erich Pätzold (SPD) die Abschiebewelle von vermutlich mehreren tausend Polen ein.
Seit der „Ostblock-Weisung“ Pätzolds vom Dezember letzten Jahres werden Polen, die noch nicht fünf Jahre in Berlin leben, nicht mehr „geduldet“. Ausnahmsweise dürfen sie noch ein halbes Jahr in Berlin bleiben, wenn sie einen Antrag auf Aussiedlung stellen. Ob sie deutscher Abstammung sind, wird in diesem Zeitraum geprüft.
Die abgeschobene Familie hätte eine deutsche „Volkszugehörigkeit“ nie belegt. In einem erfolglosen Asylverfahren im Sommer '88 sei „nie die Rede davon“ gewesen, so Werner Thronicker, Pressesprecher des Innensenats.
Anwalt Rosenkranz findet diesen Widerspruch „nicht weiter verwunderlich“. Deutschstämmige, die nicht in Polen bleiben wollten, würden häufig einen Asylantrag stellen - und sich gleichzeitig auch um eine Anerkennung nach dem Bundesvertriebenengesetz bemühen. Denn sie würden beim Antragstellen nicht immer wissen, ob sie dann als Deutsche anerkannt würden. Die polnische Familie hatte ihren Aussiedlerantrag Ende '89 gestellt.
Rosenkranz‘ Kollege Rechtsanwalt Peter Meier bemühte sich gestern abend beim Verwaltungsgericht um ein Abschiebestopp. Ob er erfolgreich war, war bis Redaktionsschluß nicht zu erfahren.
Dirk Wildt
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