Offener Kanal blutet finanziell aus

■ Nordrhein-Westfalens Rundfunkgesetz läßt dem Rheinhausener Alternativsender kaum eine Chance

Wielange noch machen die BürgerInnen Programm? Zwei Jahre schon gibt es den Offenen Kanal, das Rheinhausener Lokalfernsehen. Aber ein Finanztrick gefährdet das BürgerInnenfunk-Programm.

Mitte Januar gab es in der Dachkammer Grund zum Feiern. Vor genau zwei Jahren, am 12. Januar 1988, nahm der Offene Kanal Duisburg seinen Sendebetrieb auf. Und das Sendekonzept ist in der Bundesrepublik immer noch einmalig. Denn der Offene Kanal erreicht nicht wie üblich in einer Kabelinsel sein Publikum, sondern über eine Gemeinschafts-Antennenanlage. 3.702 Haushalte in Werkswohnungen der Rheinhausener Krupp -Kolonie werden versorgt. Gesendet wird aus einem winzigen Raum im Dachgeschoß eines Hochhauses. Auf dem Hochhausdach steht die Gemeinschaftsantenne, sie filtert die ausgestrahlten Fernsehsignale aus dem Äther. Dazu speist ein VHS-Videorekorder pünktlich nach der Tagesschau die Sendungen des Offenen Kanals ins Antennennetz ein.

Der lokale Sender ist eine Schöpfung, die aus dem Arbeitskampf entstand. Vor zwei Jahren nahm eine Gruppe Rheinhausener BürgerInnen die Möglichkeit des neu geschaffenen Landesrundfunkgesetzes NRW wahr: die Chance, Offene Kanäle, zensurfreien Rundfunk, von BürgerInnen selbst gemacht, zu begründen. Weil damals die Genehmigungsbehörde, die Landesanstalt für Rundfunk, noch nicht einmal ihre Räume bezogen hatte, suchten die Rheinhausener beim Rundfunkbeauftragten der SPD-Landtagsfraktion, Hartmut Hellwig, um die Genehmigung nach. Im Hinterkopf hatten die Antragssteller den Gedanken, ein zusätzliches Informationsmedium für den Arbeitskampf zu schaffen.

Hartmut Hellwig veranlaßte mit seinen GenossInnen schnell die positive Entscheidung: „Wir Sozialdemokraten wollen den Bürgerfunk ermöglichen, nicht ihn verhindern“, vernahm man aus der SPD-Landtagsfraktion, verbunden mit dem Hinweis auf den Offenen Kanal als Bürgerbeteiligungschance im neuen Rundfunkgesetz. Als weiterer Grund für die unbürokratisch schnelle Entscheidung wird gehandelt, daß man damals, wenige Tage nach den spektakulären Brückensperrungen, die „aufgebrachten Kruppianer durch die Zustimmung beschwichtigen wollte“.

Genau deshalb war die Idee des Offenen Rheinhausener Kanals im Landtag umstritten: FDP-Landesparlamentarier bekrittelten den Kniefall vor den Aufständischen und witterten eine weitere TV-Quelle der Agitation neben dem bösen WDR. Tatsächlich ist das Programm des Offenen Kanals couragiert und bürgernah. „Ziemlich spezifisch“ nennt Klaus Nikodem, der angestellte „Kommunikationshelfer“ der KanalmacherInnen die programmatische Ausrichtung des Lokalsenders. „Unsere Sendungen handeln überwiegend von den sozialen Belangen der Bevölkerung. Deshalb sind sie bei denen, die sie empfangen können, sehr beliebt.“ Jeder Duisburger Bürger kann seine selbstgedrehten Stücke über den Offenen Kanal senden, dazu werden ihm sogar Kamera und Schnittplatz zur Verfügung gestellt. Das macht das Programmspektrum bunt, es reicht von Echtzeitsendungen von Fußballspielen bis zu Live -Diskussionen aus dem Dachkammer-Studio. Die höchste Sehbeteiligung erreicht eine Sendung mit Namen Menage offen, eine Talkshow, veranstaltet von einem Verein, der es sich zur Aufgabe gesetzt hat, das „während des Arbeitskampfes entstandene solidarische Miteinander fortzuführen“.

Und mittlerweile sind die Rheinhausener Video-Produktionen und ihre MacherInnen sogar über die Sehnische des Krupp -Ghettos hinaus bekannt geowrden: Erich Spehs dreht einen mehrteiligen Film über den Arbeitskampf, der Film gilt in Gewerkschaftskreisen mittlerweile als der Standard der Geschichtsschreibung; und Renate Jekubcziks lokal orientierte Sozialreportagen wurden schon bei TV-Anstalten in Asien gesendet. Dokumentarfilmprofis auf Filmfestivals in Duisburg, Oberhausen und Leipzig diskutierten eifrig mit den Amateuren des Offenen Kanals. Ihre jüngsten Renommierprojekte veranstalten die BürgerfunkerInnen mit Medienleuten aus der nachrevolutionären DDR. Dort beraten sie den Verband der Film- und Fernsehschaffenden, der über ein neues Mediengesetz nachdenkt, in Sachen BürgerInnenbeteiligung. Und mit der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen werden gemeinsam Filme über DDR -ÜbersiedlerInnen in diesem unserem Lande produziert.

Sozialdemokratische Medienpolitiker versichern oft und gern, daß sie den Offenen Kanal Rheinhausen für das beste Beispiel halten, daß die Idee der autonomen BürgerInnenbeteiligung am Rundfunk erfolgversprechend ist. Aber dafür können sich die KanalmacherInnen nichts kaufen. Obwohl das nordrhein-westfälische Landesrundfunkgesetz unabhängigen Bürgerfunk und Bürgerfernsehen nach dem Jeder -kann-mitmachen-Prinzip ausdrücklich vorsieht, sorgen Detailvorschriften für ein über Jahre andauerndes Ausbluten des Lokalsenders. Die Fördersatzung der Landesanstalt für Rundfunk weist dem Sender für seine Sendetätigkeit nur dann weiterhin Geld aus den Rundfunkgebühren zu, wenn er nachweisen kann, daß er welches hat.

Konkret: Die Personalkosten („Kommunikationshelfer“) müssen nach drei Jahren Sendebetrieb zu einem Viertel, die Sachkosten (z.B. Raummiete oder Reparaturen) sogar beinahe zur Hälfte aus eigenen Geldtöpfen kommen, das sind rund 70.000 DM insgesamt. Nur wenn diese Eigenmittel vorhanden sind, ergänzt die Landesanstalt für Rundfunk das vorhandene Geld auf insgesamt 200.000 DM pro Jahr. Aber ohne ausreichende Eigenmittel gibt es gar nichts, der Offene Kanal gerät also durch die Finanzierungstechnik der Landesanstalt für Rundfunk in die Klemme. Klaus Nikodem macht das so deutlich: „Wir wären im Prinzip auf Spenden und Sponsoring angewiesen. Die lokal ansässigen Unternehmen würden am ehesten spenden. Also: Wenn BAYER kommt, kann das Unternehmen den Offenen Kanal aus der Portokasse kaufen.“

Thomas Meiser