AFFIRMATIONSKUNST

 ■  Bhagwan: Ganz entspannt in Rolls und Royce

Die Rolls-Royce-Flotte war einfach wunderbar: Wie er da in der Kommune Oregon mit einer Eskorte von Luxuslimousinen im Schritttempo an den orange Uniformierten vorbeidefilierte, huldvoll grüßend und, so schien es zumindest im Fernsehen, irgendwie verschmitzt lächelnd. Tag für Tag ein Staatsempfang mit allen Schikanen, dabei waren es doch nur ein paar hundert Meter vom Wohnhaus zur Vortragshalle - und dafür einen riesigen Parkplatz voll mit sündhaft teuren, täglich auf Hochglanz polierten Autos. Ironischer kann man Dekadenz kaum inszenieren. Die Medien aber, und mit ihnen die „öffentliche Meinung“, bemerkten nichts von Ironie. In einer Komödie hätte ein solcher running gag nur plump und platt gewirkt, das stumpfsinnige Tachometerdrama der Wirklichkeit hingegen nahm Bhagwans Wink mit der Tanksäule ernst: Es wurde gegeifert und gegiftet über den falschen Propheten, der das Vermögen seiner Jünger verpraßt und sie Autos waschen läßt. Nun war der Mann Philosophieprofessor, ein Kenner der Geistes- und Religionsgeschichte, hat eine Menge geschrieben und war dennoch mit Sicherheit kein Idiot

-er hat natürlich gewußt, daß er sich mit der Rolls-Royce -Show zur Karikatur eines Gurus macht, daß es für einen geistigen Lehrer unmöglich ist, sich mit bokassaartigem Pomp zu gebärden. Daß er es dennoch tat, spricht für seine Weisheit, die Einsicht, daß es die erste Pflicht jedes wahren Lehrers ist, die eigene Autorität permanent zu untergraben. Daß er sich als Insignium dieser Subversion ausgerechnet Autos ausgesucht hat, spricht für seinen Witz: Bei ihrem „liebsten Kind“ hört für die Männer der Humor auf, das Auto ist das Symbol der rasenden Destruktion des Planeten. Selten zuvor wurde die Krönung der Technik so unverschämt als nutzlos und überflüssig diffamiert wie auf dem täglichen Katzensprung des Bhagwans, für den viele tausend PS bereitstanden. Die Beleidigung ist in der tempoiden Schicht der aufgeklärten Primatenhirne sehr wohl angekommen: Das Land der Chryslers und Fords hat ihn rausgeschmissen, das von Daimler Benz erst gar nicht reingelassen. Was sollten sie auch mit einem Heiligen, der dem heiligen Blech auf so verächtliche Weise opferte und dann zur Jugend des Landes von Politikern und Priestern als „Mafia der Seele“ sprach. Zumal sich auch sonst mit seiner Botschaft wenig Staat machen ließ: Um fatale Kurzschlüsse wie „Elektrifizierung plus Sowjets gleich goldene Zukunft“ („Katalysator plus Entschwafelungsanlage gleich ökologische Politik“) in Zukunft zu vermeiden, sah Bhagwan als einzige Möglichkeit einen Doppelschritt - „Deprogrammierung und Meditation“. Die Ideologien, die Traditionen der Vergangenheit, den „Schrott der Autobiographie“ abzuschütteln und zu lernen, „die Leere zu genießen“, sie nicht wieder mit neuem Gerümpel zu füllen. Einfach dasein. Glück ist machbar, lautete Bhagwans skandalöses Versprechen, nicht irgendwann, sondern hier und jetzt: „Es kommt auf dich an - du kannst es in einem Jahr schaffen, du kannst es in zwei Jahren schaffen... Jeder Schwachsinnige muß, wenn er vier Jahre lang auch nur eine Stunde sitzt und nichts tut, zwangsläufig das finden, was Buddha oder Laotse gefunden haben, was ich gefunden habe. Es ist keine Frage von Intelligenz, von Talent, von Genie - es ist nur eine Frage von Geduld.“

Einmal, als wir zusammen zufällig einen Fernsehbericht über die Kommune in Oregon anschauten, runzelte Wolfgang Neuss die Stirn und sagte: „Der Bhagwan is‘ auf Koks, das sollte er nicht tun.“ Mir erschien das, so ruhig und gelassen, wie er da saß und redete, unwahrscheinlich. Aber Neuss bestand auf seiner Entdeckung: „Er macht zuviel, er tut zuviel, er redet zuviel - das ist typisch.“ Und dann rätselten wir darüber, wie ein Erlöser, wenn denn einer käme, nach Jesus, Buddha, Hitler, aufzutreten hätte im heutigen TV-Zeitalter. In Sack und Asche oder ganz entspannt in Rolls und Royce, im „Wort zum Sonntag“ oder in „Wetten, daß..“? Shree Rajneesh hätte geantwortet: „Die authentische Religiosität bedarf keiner Propheten, keiner Heilande, keiner Kirchen, keiner Päpste, keiner Priester.“ Seit letztem Freitag braucht sie auch keinen Bhagwan mehr.

Mathias Bröckers