Trainer fürs tägliche Überleben

Myles Horton, Gründer der „Highlander Folk School“, verstarb 84jährig in Tennessee  ■ P O R T R A I T

Berlin (taz) - Es gibt zu viele Menschen, deren Lebenswerk kaum gewürdigt und deren Tod übergangen wird. Myles Horton ist einer von ihnen. Der 84jährige Pädagoge und politische Aktivist starb vergangene Woche im US-Bundesstaat Tennessee an Krebs. Horton hatte 1932 die „Highlander Folk School“ auf einer Farm in Monteagle, einer Bergarbeiterstadt in Tennessee, gegründet. Das ungerechte soziale System lasse sich durch starke Basisbewegungen und Gewerkschaften ändern, kein Mensch sei machtlos, war seine Botschaft. Besonders in der Großen Depression der dreißiger Jahre wurde die Schule eine Schmiede für AktivistInnen der Bergbaugewerkschaft in der armen Appalachenregion.

In den 50ern und 60ern dann stand das Thema Rassendiskriminierung auf dem Stundenplan. Der Unterricht wurde häufig von AutodidaktInnen geleitet, schließlich ging es um praktisches Training fürs tägliche Überleben. Highland zog Leute wie Eleanor Roosevelt, Martin Luther King und den jetzt so unter Beschuß geratene Bürgermeister Washingtons, Marion Barry, an - oder Rosa Parks. Zwei Wochen bevor sich die schwarze Bügerrechtlerin im Sommer 1955 in Montgomery weigerte, einem weißen Mann ihren Bussitz zu räumen, und damit den Busboykott in Alabama auslöste, hatte sie bei Horton Energien getankt. Zum ersten Mal in „meinem Erwachsenenleben konnte ich erleben, daß man jenseits von Rasse und Herkunft in Frieden und Harmonie zusammenleben kann“. Erfolgreichste Aktion Hortons war eine Alphabetisierungskampagne in den 50ern. Hunderte Schwarze lernten, ihren Namen zu schreiben, um sich zu den Wahlen registrieren zu können. Dutzende solcher „BürgerInneschulen“ wurden in den Südstaaten eröffnet.

Nicht überraschend, daß von McCarthy bis zum Ku-Klux-Klan gegen die „linke Kaderschmiede“ vorgegangen wurde. 1959 gab es eine gerichtliche Anhörung, ob Highland Teil einer kommunistischen Verschwörung sei. 1960 wurde die Schule geschlossen und das Vermögen konfisziert - weil unerlaubtermaßen Alkohol verkauft worden sei. Es ging um eine Dose Bier, die ein Schüler aus dem Kühlschrank genommen und für die er 25 Cent hingelegt hatte. Doch 1961 konnte Horton die Schule in Knoxville wiedereröffnen. Bis 1973 blieb er ihr Direktor. Am Sonntag wurde Myles Horton beerdigt. Seine Familie plant im Frühjahr eine Gedenkfeier.

Andrea Seibel