Pleitestadt finanziert Prunkbau

■ Bremer Senat zum Kongreßzentrumsdebakel: 100 Millionen mehr - na und? / Rechnungshof soll Ursachen erforschen

Mit freudigem Lächeln hielten gestern nachmittag Bürgermeister und Senatoren das Modell eines verwinkelten Baukörpers vor die Kameras. Dabei hätten Klaus Wedemeier und die Senatorenkollegen Kunick (Bau) und Beckmeyer (Wirtschaft) allen Grund, Asche über ihr Haupt zu schütten. Denn der Anlaß zu senatorabler Freude ist gleichzeitig eine der größten Planungspannen in der Bremer Nachkriegsgeschichte. Gestern beschloß der Senat, daß das Kongreßzentrum ruhig einhundert Prozent mehr kosten darf, als noch vor einem guten Jahr kalkuliert.

Noch im Oktober 1988, als der Vertrag mit dem Träger Maritim abgeschlossen worden war, hatte der Senat mit Baukosten von 50,3 Millionen gerechnet. Gestern gab Bürgermeister Wedemeier bekannt, was die Sparbemühungen einer Arbeitsgruppe, die in den letzten Wochen getagt hatte, gebracht haben. Neuer Gesamtpreis: 99,1 Millionen. Dabei kündigte Wedemeier gleich an, daß es sich bei der jetzigen Kalkulation wieder nur um einen vorläufigen Preis handelt. „Wir müssen bis zur Fertigstellung mit weiteren Preissteigerungen rechnen.“ Grund: Mögliche Tariferhöhungen im Baugewerbe.

Für Bausenator Konrad Kunick sind die mindestens 100 Prozent Preisaufschlag „nicht zu teuer“. Man sei bei der damaligen Kalkulation „zu optimistisch gewesen“. Und da alle Dinge in dieser Welt nun mal relativ sind,

konnten die Journalisten von Kunick gar erfahren, daß Bremen sogar ein relativ sehr billiges Kongreßzentrum bekommt. Ähnliche Einrichtungen in Sindelfingen, Karlsruhe oder anderswo seien pro Kubikmeter noch teurer. Kunick: „Das sind keine exorbitanten Baupreise.“ Die Frage, warum die Erfahrungswerte andere Städte nicht zum Maßstab der Bremer Kalkulation gemacht worden sind, wußte der Senator nicht so recht zu beantworten.

Auch Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer hatte in den vergangenen Tagen rechnen lassen und zwar seinen hauseigenen Bremer Ausschuß für Wirtschaftsforschung. Und der hatte herausgefunden, daß das Kongreßzentrum erstens 700 Arbeitsplätze in Bremen schafft und zweitens sich irgendwann auch mal amortisiert. Beckmeyer zu den Ergebnissen seiner Rechenkünstler: „Über 30 Jahre gibt das einen Nutzen.“

Soviel Expertenrechnungen mochte der Senat gestern nicht widerstehen. Einstimmig wurde das Kongreßzentrum abgesegnet. Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer darf Geld aus dem Standortfonds seines WAP, das eigentlich für anderes vorgesehen war, nun für den Prunkbau ausgeben. Welche Projekte später oder langsamer verwirklicht werden, mochte oder konnte Beckmeyer nicht mitteilen. Die erhöhten Kosten werden durch die Finanzschieberei erst 1993 zu einer erhöhten Kreditaufnahme führen.

Zwei Gründe haben nach We

demeier vor allem zu der Preisexplosion geführt. 13 Millionen kostet es zusätzlich, weil die alten Hallen zwei und drei das Maritim-Kongreß-Zentrum nicht huckepack tragen können. Und 21 Mio zusätzlich werden fällig, weil seit 1988 wesentlich höhere Anforde

rungen an die Ausstattung des Centrums gestellt wurden. Erstes ist für Wedemeier ein „ärgerlicher“ Fehler des Hochbauamtes, das zweite angesichts des nationalen Wettbewerbs notwendig.

Der Präsident des Rechnungs

hofes wurde gebeten, die Kostenexplosion zu überprüfen und Vorschläge auszuarbeiten, wie dies künftig vermieden werden kann. Daß damals extra falsch gerechnet wurde, um den Bau politisch durchsetzen zu können, schloß Wedemeier aus.

hbk