DDR im Wachstumstief - Plan nur zur Hälfte erfüllt

■ Statistiker veröffentlichten Jahresdaten für 1989 / Nur 2 statt 4 Prozent Wachstum

Ost-Berlin (dpa/taz) - Die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik der DDR hat jetzt die wirtschaftlichen Daten für das Jahr 1989 veröffentlicht. Demnach konnte das Planziel einer vierprozentigen Wachstumsrate des Nationaleinkommens nur zur Hälfte realisiert werden. Keiner der Kernsektoren der DDR-Volkswirtschaft hat seinen geplanten Beitrag zum Gesamtwachstum erfüllt. Der größte Einbruch ereignete sich im letzten Quartal 89 wegen des Rückgangs der Zahl der Arbeitskräfte infolge Übersiedlungen und der beträchtlichen Arbeitsplatzabstinenz. Im Unterschied zu früheren Bilanzen, in denen vorwiegend „Übererfüllungen“ gemeldet wurden, spricht die Statistik erstmals von „Untererfüllungen“.

Der Soll-Ist-Vergleich fällt insbesondere für den Bereich der Industrie deprimierend aus. In diesem Schlüsselsektor hatte die DDR einen Produktionsausfall von 5,9 Milliarden DM zu verzeichnen - das entspricht 3,6 Arbeitstagen. Anstelle des geplanten Zuwachses von 4,2 Prozent konnte lediglich eine Wachstumsrate von 2,5 Prozent erzielt werden. Gegenüber dem Dezember des Jahres 1988 war die durchschnittliche Beschäftigtenzahl im Dezember 89 um 95.000 Personen niedriger. Verfehlt wurde auch der angepeilte Zuwachs des Nettogewinns um 3,5 Milliarden Mark. Folge ist eine Schwächung der Investitions- und Rationalisierungskraft der Kombinate.

Diese Investitionsschwäche findet ihre Entsprechung in der Gesamtwirtschaft. So wurden mit 86 Milliarden Mark etwa eine Milliarde Mark weniger produktiv investiert als noch im Jahr davor. Angestiegen sind demgegenüber die Nettogeldeinnahmen der Bevölkerung, die um drei Prozent auf 167,5 Milliarden Mark stiegen. Angesichts des geringeren Wachstums der Gesamtproduktion nimmt es allerdings nicht Wunder, daß ein Teil der gestiegenen Löhne umgehend auf die Sparkonten flossen und den Kaufkraftüberhang weiter erhöhten. Die Diskrepanz zwischen kaufkräftiger Nachfrage und Konsumgüterangebot wird noch dadurch verschärft, daß viele Produkte zwar quantitativ umfangreich angeboten werden können, aber nicht die Qualitätsansprüche der Bevölkerung erfüllen. Dieses Qualitätsproblem beschäftigt aber nicht allein die Konsumenten, sondern auch die Statistiker. Weil auch die simpelste Scheininnovation bislang als Wertsteigerung der Produktion berechnet werden konnte, können die DDR-Statistiker auch dann eine Wachstumssteigerung verkünden, wenn der materielle Output sich überhaupt nicht verändert hat. Bis diesem Mißstand abgeholfen ist, sind alle Wachstumszahlen mit gebotener Skepsis zu behandeln.

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