Geringes West-Interesse an Joint-ventures

Polnische Wirtschaftsreform macht aus dem ganzen Land ein Experimentierfeld / Unternehmerproteste gegen Devisenreform und hohe Steuern  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

„Außer dem Rücktritt des Vorsitzenden der Freizonen-GmbH hat sich in Stettin seit Gründung der Zollfreizone fast nichts getan“, meldete das polnische Fernsehen vor einigen Tagen sarkastisch. Von den vollmundigen Ankündigungen einer Vorreiterfunktion Stettins, eines „kleinen Silicon Valley an der Oder“ ist nach einem Jahr nicht viel übrig geblieben. Die GmbH, die das Gelände verwaltet, macht immer noch keine Gewinne, weil sich zuwenig Interessenten gemeldet haben.

Im Grunde kommt das nicht überraschend. Die Zollfreizonen waren ursprünglich dazu gedacht, marktwirtschaftliche Experimentierfelder zu liefern. Nun hat das Wirtschaftsprogramm der Regierung das ganze Land in eine marktwirtschaftliche Zone verwandelt, und der Vorsprung der Freizonen ist dahin. Hinzu kommt, daß die Regierung die Importzölle drastisch heraufgesetzt hat. Der Anreiz der Freizonen lag bisher weniger darin, dort für den Export zu produzieren, sondern Importwaren zu lagern. Und deren Einfuhr nach Polen ist nun aufgrund der hohen Zölle unrentabel geworden.

Im Rahmen dieser Zollreform sind auch für Joint-ventures einige Vergünstigungen weggefallen - so etwa Steuernachlässe für Exporte, aufgrund derer etwa die Einkommenssteuer auf bis zu 10 Prozent gesenkt werden konnte. Dies stelle nach den nun von Polen angelegten strengen Gatt-Richtlinien eine unerlaubte Subvention dar, verteidigt sich das Finanzministerium.

Bisher erhielt jeder neugegründete Auslandsbetrieb mindestens drei Jahre lang eine Steuerbefreiung. Damit ist nun ebenfalls Schluß - die Nachlässe laufen aus, neugegründete Betriebe zahlen künftig 40%. Hinzu kommt die Besteuerung des ausländischen Anteilseigners als Privatperson in Höhe von 30%. Standen bisher andere, zusätzliche Steuern wie Umsatz-, Mehrwert-, Landwirtschafts -, Grund- und Lohnsteuer nur pro forma im Gesetz, so steht nun deren Einführung ins Haus. Da endlich blieb den Regierungsvertretern, die sich vor kurzem mit einer Delegation der Außenhandelskammer trafen, nichts erspart: Die Regierung wolle die Joint-ventures ruinieren, warfen empörte Besitzer den Beamten vor. Von „beispielloser Arroganz“ war ebenso die Rede wie von „Ignoranz“.

Doch die Empörung ist zum Teil nur berechtigt. Denn in vielen Bereichen kann von einer Benachteiligung der Gemeinschaftsunternehmer nicht die Rede sein, vielmehr wird einfach die bisherige Benachteiligung der Inlandsbetriebe gegenüber den Auslandsinvestoren aufgehoben. So etwa bei der Devisenreform, der zufolge nun jeder Betrieb seine Deviseneinkünfte vollständig in Zloty einzuwechseln hat. Bisher mußten Joint-ventures dies nur zu 15 Prozent, während staatliche Betriebe oft über 50 Prozent ihrer Exporterlöse loswurden. Hauptnachteil dabei war der künstlich niedrig gehaltene Wechselkurs. Nun hat Polen allerdings dermaßen abgewertet, daß Anfang Januar 1990 der offizielle Wechselkurs sogar über dem Schwarzmarktkurs lag.

Glücklich über die Reform sind die ausländischen Investoren dennoch nicht. Bisher konnten sie über die restlichen 85 Prozent ihrer Deviseneinkünfte frei verfügen. Jetzt müssen sie verkaufen und im Bedarfsfalle von der Nationalbank zurückwechseln - bei den Schwankungen des Zloty und dem im Vergleich zu harten Währungen oft hohen Differenzbetrag zwischen An- und Verkauf kein ganz risikoloses Unternehmen.

Zum Ausgleich für die unerwünschte Gleichberechtigung haben Finanz- und Wirtschaftsministerium einstweilen noch wenig zu bieten. Auch die Einführung der sogenannten „vollen inneren Konvertibilität“ läßt keinen Gewinn- oder Kapitalstransfer ins Ausland zu; er ist erst für die Zukunft versprochen.

Durch das Abkommen mit der BRD bei Kohls Polenbesuch im November ist allerdings dieses Verbot erstmals aufgeweicht worden. Der wirtschaftliche Teil des Abkommenpakets sieht nämlich einen stufenweisen Transfer in den 90er Jahren vor. Kritisiert wird indessen auch von polnischen Blättern, daß die Regierung bei der Reform des Joint-Venture-Gesetzes einige zu restriktive Bestimmungen, die eigentlich schon überholt sind, nicht gestrichen hat. Für die Ausgabe neuer Anteilscheine oder die Aufnahme zusätzlicher Kapitalgeber ist die Genehmigung der „Agentur für Auslandsinvestitionen“ erforderlich. Während die Regierung bereits an einem Börsengesetz bastelt, dürfen Auslandsbetriebe nach wie vor nur die nicht-anonymen Namensaktien ausgeben, über deren Aufteilung die Agentur ebenfalls mitzubestimmen hat.

Da wundert es nicht, daß die Entwicklung der Gemeinschaftsunternehmen bisher hinter den Erwartungen des Gesetzgebers zurückgeblieben ist. Zwar gibt es inzwischen über 600 solcher Firmen, doch es handelt es sich dabei überwiegend um Kleinstunternehmen, deren Grundkapital nicht wesentlich über die Mindesteinlage von 100.000 DM hinausgeht. Um die Betriebe zur Erhöhung ihres in Polen investierten Kapitals anzuhalten, gibt es die Bestimmung, daß Kredite nur bis zur Höhe von zehn Prozent des Grundkapitals im Ausland aufgenommen werden dürfen. In der Praxis hält dies Investoren aber eher davon ab, überhaupt nach Polen zu gehen.

So bilden Großbetriebe, von denen binnenwirtschaftliche Impulse ausgehen, die Ausnahme. Die meisten Joint-ventures kommen aus der Bundesrepublik und beschäftigen sich mit der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, Dienstleistungen und Textilien. Und dabei wird es wohl auch bleiben. Gerade jetzt, wo aufgrund der im November vereinbarten Hermesbürgschaften die Möglichkeit bestünde, auch größere bundesdeutsche Unternehmen nach Polen zu locken, haben sich die Bedingungen für Gemeinschaftsunternehmen deutlich verschlechtert.