Manfred Roeder kommt frei

Chef der rechtsterroristischen „Deutschen Aktionsgruppen“ erhält Haftverschonung  ■  Aus Nürnberg Bernd Siegler

Auf dem „Reichshof“ in Schwarzenborn (Schwalm-Eder -Kreis/Hessen) kann am 15. Februar gefeiert werden. Der wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung, Sprengstoffanschlägen und versuchter Anstiftung zum Mord zu 13 Jahren Freiheitsstrafe verurteilte Rechtsextremist Manfred Roeder wird dann vorzeitig aus der Haft entlassen. Zu verdanken hat Roeder dies dem Bundesgerichtshof (BGH), der mit seiner Entscheidung vom 15. Januar einen anderslautenden Beschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart aufgehoben hat. Der BGH glaubt verantworten zu können, „zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird“. Roeders „Deutsche Aktionsgruppen“ (DA) hatten im Sommer 1980 bei Sprengstoff- und Brandanschlägen zwei Menschen getötet und acht verletzt.

Im Juni 1982 kam Manfred Roeder als geistiger Kopf der DA beim Prozeß in Stuttgart-Stammheim noch vergleichsweise glimpflich davon. Die Bundesanwaltschaft hatte bereits zu Beginn des Verfahrens darauf verzichtet, Roeder wegen Mittäterschaft an den Anschlägen auf Flüchtlingsheime und Gedenkstätten anzuklagen, obwohl er von den Taten gewußt hatte. Obwohl nach Kenntnis des Bundesinnenministeriums die Gruppe 16 Mitglieder umfaßt hatte, saßen damals neben Roeder nur drei auf der Anklagebank. Das Gericht verzichtete auch darauf, Roeders Kontakten zur rechtsextremen Szene im In und Ausland sowie seine Geldgebern nachzugehen. Allein 1979/80 wurden 84.000 DM für ihn gespendet.

Im Dezember 1971 hatte der Rechtsanwalt die „Deutsche Bürgerinitiative e.V.“ gegründet und 1973 zu dem Buch Die Auschwitz-Lüge des Neonazis Thies Christophersen das Vorwort geschrieben. Im Februar 1978 entzog sich Roeder der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe wegen Volksverhetzung durch Flucht ins Ausland, bevor zwei Jahre später die „Deutschen Aktionsgruppen“ zum ersten Mal mit einem Sprengstoffanschlag auf das Landratsamt Esslingen von sich reden machten. In dem Gebäude war zu der Zeit eine Auschwitz -Ausstellung gezeigt worden.

Mit der Inhaftierung endeten Roeders Aktivitäten keieswegs. Mit Unterstützung seiner Frau Gertraud, die auf dem „Reichshof“ alljährlich „Freundestreffen“ veranstaltete, gab Roeder aus der Haft heraus das DBI-Mitteilungsblatt 'Deutsche Bürgerinitiative e.V. - weltweit‘, die Schrift 'Deutscher Jahrweiser‘ und den 'Europäischen Freiheitsbewegung-Brief‘ heraus. „Die Aktivitäten der Eheleute Roeder wurden auch 1988 in erheblichem Maße durch Spenden finanziert“, notierte das Bundesamt für Verfassungsschutz in seinem Fortsetzung auf Seite 2

jüngsten Bericht. Mit Roeders Tätigkeit in der Haft hatte das Oberlandesgericht Stuttgart argumentiert, als es am 12. November 1989 die vorzeitige Entlassung Roeders abgelehnt hatte. Der Bundesgerichtshof hatte weniger Bedenken. Der

BGH bescheinigte Roeder zwar eine „von NS-Gedankengut durchsetzte politische Überzeugung“, jedoch habe er sich öffentlich von der Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung distanziert und auch während mehrfachen Hafturlaubs keine Neigung zum „Rückfall in sein früheres strafbares Tun“ erkennen lassen. Es gebe keine Anhaltspunkte, daß Roeder auch künftig seine politischen Vorstellungen mit Gewalt durchsetzen wolle.

Erst im Juli letzten Jahres war mit Karl-Heinz Hoffmann ein weiterer prominenter militanter Rechtsradikaler vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Damals hatte ihm das Oberlandesgericht Bamberg eine „günstige Sozialprognose“ bescheinigt. Der Chef der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ (WSG) habe „glaubhaft zu erkennen gegeben“, daß er sich von seiner Vergan

genheit distanziert habe. „Ich will dem nicht widersprechen, wenn das der Eindruck des Gerichts war, ist das in Ordnung“, kommentierte Hoffmann nach seiner Entlassung wenig zweideutig die Argumentation der Richter. Hoffmann hatte es letztlich dem BGH zu verdanken, daß er sich in dem im Juni 1986 beendeten Prozeß vor dem Landgericht Nürnberg nicht wegen Paragraph 129a und damit nicht für die Taten seiner WSG-Mitglieder wie zum Beispiel den Erlanger Doppelmord an dem Verleger Shlomo Levin und dessen Lebensgefährtin verantworten mußte. In einer Grundsatzentscheidung hatte der BGH im Januar 1982 mit einer abenteuerlichen Begründung im Falle von Hoffmanns Auslands-WSG im Libanon das bundesdeutsche Strafgesetz mit dem Paragraphen 129a für nicht zuständig erklärt.