Die Senatorin mit dem „Plopp“

■ Bilanz eines Jahres rot-grüner Wissenschaftspolitik: BerlHG-Novelle liegt noch nicht vor / Verwirrung um FU-Strukturreform / Unklarheit um Akademie der Wissenschaften / Statt Quote nur noch Gleichstellungsgebot

Ein paar der Prozente, mit denen der rot-grüne Senat regiert, halten sich gelegentlich Studenten zugute, die im letzten Winter mit Streik und allerlei Aktionen für Wirbel sorgten. Die neue Wissenschaftssenatorin trägt daher eine besondere historische Duftmarke: Barbara Riedmüller, früher Pädagogin an der Bundeswehruniversität in München, seit 1988 unter dem Namen Riedmüller-Seel Professorin am OSI und noch im gleichen Jahr - flugs treppauf - Vizepräsidentin der FU. Am Montag jährt sich die Wahl zum Abgeordnetenhaus. Zeit für die Frage, was Frau Riedmüller eigentlich so macht. Was zum Beispiel ist mit dem geplanten neuen Berliner Hochschulgesetz (BerlHG)? So fragte die taz kürzlich bei der „WiFo„-Verwaltung an. Die Pressesprecherin wußte nichts und verwies an die SPD-Fraktion. Die war verreist, krank, nicht zuständig oder ebenfalls unwissend. Man sei noch nicht so weit, hieß es vage. Vielleicht nach der Sommerpause. Ende der Recherche. Derweil tat sich etwas in aller Stille. Drei Werktage später legte Senatorin Riedmüller - Plopp! - ein Arbeitspapier für ein neues BerlHG vor, anhand dessen die SPD-Fraktion sich nun ihre Gedanken machen soll. Der Fachausschuß der Partei, noch mit einem eigenen Entwurf beschäftigt, fühlt sich nun überfahren und ist sauer (wir berichteten). Sie habe nicht alle Anfragen einzeln beantworten wollen, begründet Frau Riedmüller ihr Überraschungspapier. Kenner vermuten, „Babs'“ („Lieblingszeitung“) wolle sich von jedem neuen BerlHG von vornherein abkoppeln, nach dem Motto: „Ich wollte ja was ganz anderes, siehe mein Papier“. Inzwischen herrscht Durcheinander: wer diskutiert warum mit welchem Ziel und wem über wessen Ideen? Und wo soll das hinführen? Nichts Gutes verheißt die Erfahrung.

Denn die Verwirrung um das BerlHG folgt einem bekannten Muster. Im Mai 1989 lag dem FU-Kuratorium ein Beschluß des Akademischen Senats vor: die Neuordnung der Fachbereiche sollte aufgehoben werden, die FU hätte aus dem Alptraum „Strukturreform“ erwachen können. So weit, so klar. Als auch im Kuratorium die pauschale Aufhebung der „Strukturreform“ nur noch eine Frage von Minuten schien, zog die Vorsitzende Riedmüller - mit dem bewußten Plopp! - einen eigenen, detailkrümeligen Beschlußentwurf aus dem Ärmel. Grundstruktur: Aufhebung von Aufhebungen mit anschließender Aufhebung. Chaos in der Runde, Tumult unter den Zuhörern. Endlich erhielt Riedmüller (Devise: „Wir heben auf, wir regeln neu, und wir eröffnen Chancen...“) eine satte Mehrheit. Freilich blindlings - bis in die Abendstunden brauchten FU und Verwaltung, um zu rekonstruieren, was da eigentlich beschlossen worden war. Tatsächlich ist die Strukturreform formal in Kraft, gleichzeitig hat die FU den Auftrag, inhaltlich über eine Strukturreform nachzudenken. In diesem Zustand verharrt die FU seither, tunlichst geräuschlos. Das Problem ist nicht gelöst, es ist gründlich untergerührt. Abzuwarten bleibt, ob das BerlHG in gleicher Weise versandet.

Aber außer Kuddelmuddel wird sie doch noch irgend was gemacht haben? Zum Beispiel mit der Akademie der Wissenschaften? Sie solle als öffentliche Institution aufgelöst werden, findet die Senatorin und regt an, sie möge sich hernach als Verein oder Stiftung neu konstituieren, obendrein mit dem bisherigen Personal. Hier wirkt nicht der politische Gestaltungswille der Senatorin, zählt nicht der Sinn der Akademie - die mag offensichtlich tun was sie will, nur bitte nicht in Frau Riedmüllers Zuständigkeit! Abermals: aus den Augen, aus dem Sinn.

Aber sicher tut sie etwas für ihre Geschlechtsgenossinnen? 15 Professorinnen habe sie bisher berufen, ausdrücklich keine davon mit Sonderstatus. „Die waren alle besser“ als die Männer, lacht die Senatorin. Wozu dann noch die Quote? Folgerichtig steht in ihrem BerlHG-Papier nur ein Gleichstellungsgebot. Wieder ein Problem in Wohlgefallen gelöst. Wo man hinsieht - stets kommt die Senatorin mit ihrer Politik selbst nach großem Getöse und heftigem Rudern wieder auf dem Ausgangspunkt zum Stehen. Freundlich lächelnd und niemandem böse, schlimmstenfalls nicht mehr zuständig. Ein Nullsummenspiel. Es sei hoffnungslos, in ihrer Vergangenheit nach Skandalen zu suchen, wird von Riedmüller kolportiert. Man möcht's glauben. Woher sollten die auch kommen? Wer nix tut, macht keine Fehler. Höchstens Karriere.

marc