Streit um frauenfeindliche Werbung

Sexistische Werbung beschäftigt Landgericht Passau / Frauen hatten zum Boykott eines alternativen Buchhändlers aufgerufen / Buchhändler wehrte sich vor Gericht / Richter wollte kein Grundsatzurteil in Sachen Boykottaufruf bei sexistischer Werbung fällen  ■  Aus Passau Luitgard Koch

Eigentlich wollte der Passauer Buchhändler Gerd Sollner nur witzig werben für seinen alternativen Buchladen in der niederbayerischen Dreiflüssestadt. Doch seit Wochen beschäftigt diese Werbung jetzt das Landgericht Passau und sorgt für Schlagzeilen in Sachen „Frauenfeindlichkeit“. Einige engagierte Frauen aus der autonomen Frauenbewegung fanden das Werbeplakat nämlich nicht besonders witzig, sondern vielmehr sexistisch. Sie riefen zum Boykott seines Ladens auf.

„Erst Spaghetti in den Ausschnitt, und dann kann Mann die Frau als sexuellen Gebrauchsgegenstand benützen: sprich vergewaltigen“, schrieb die 34jährige Ulrike Geißler empört an den Buchhändler. Auf dem Werbefoto wird nämlich ein junger Mann gezeigt, der seiner tiefdekolltierten Begleiterin eine Nudel aus den Ausschnitt fischt oder auf den Busen legt. Die Meinungen, warum der junge geschniegelte Bursche an der Frau rumfingert, gehen hier auseinander.

Ins Rollen kam der Gerichtsprozeß durch den 41jährigen Buchhändler. Er wehrte sich gegen die Boykottaufrufe und verlangte von drei der Frauen eine Unterlassungserklärung. Die Frauen weigerten sich freilich, und so mußte sich das Landgericht Passau mit dem Fall beschäftigen. Richter Franz Aigner war diese Sache sichtlich unangenehm. „Er verkauft doch ihre Bücher, was wollen sie“, versuchte er die Frauen bereits beim ersten Verhandlungstermin zu einem Vergleich überreden. Die jedoch wußten genau, was sie wollten: Ein Grundsatzurteil darüber, ob Boykottaufrufe bei sexistischer Werbung rechtens sind. Ein solches Urteil wäre ein Novum in der Rechtsprechung.

Gestern mußte der Richter nun seine Entscheidung treffen. Er entschied zugunsten des 41jährigen Buchhändlers und gab der einstweiligen Verfügung statt. Die Verfahrenskosten müssen zu drei Vierteln die beklagten Frauen bezahlen. Gleichzeitig versuchte der Richter sich jedoch bei den streitbaren Frauen lieb Kind zu machen. „Damit Sie's nicht in den falschen Hals bekommen, die Frage, ob ein Boykott bei sexistischer Werbung rechtens ist, ist in dem Verfahren nicht entschieden worden“, betonte er bei seiner Urteilsverkündung. Um dieses Problem zu klären, empfahl der Richter den Feministinnen, ein Hauptsacheverfahren anzustrengen. Bis dahin sei es ihnen zuzumuten, ihre Boykottaufrufe einzustellen.

„Wir kämpfen weiter“, erklärte Ulrike Hanke, die regelmäßig Vorträge über Seximus in der Werbung hält, nach der Urteilsverkündung. Die Frauen werden ideell und vor allem finanziell von den Bayerischen Grünen und der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen unterstützt. Verwundert über die richterliche Entscheidung war die junge Frau aus der Gemeinde Schöfweg im bayerischen Wald jedoch nicht. „Feministische Thesen werden immer noch als Spinnerei abgetan“, stellte sie fest. In ihren Augen war das Passauer Gericht einfach zu feige, sich der Sache zu stellen. Doch die nächste Kammer des Gerichts wird sich mit dem Problem nochmals befassen müssen.

Inzwischen ist der Buchhändler in der katholischen Domstadt Passau als „Frauenfeind“ verschrien. Dabei gehört er sicherlich nicht zu jener Sorte Männer, die ihm jetzt per Telefon Unterstützung versprechen, weil sie „auch auf große Busen stehen“.