Großrazzia gegen Neonazis

■ 40 Wohnungen im Bundesgebiet durchsucht / Zahlreiche Akten sichergestellt / Ziel der Aktion war „mittleres Management“ der verbotenen ANS-Organisation Michael Kühnens

Hamburg (taz/ap) - Mit einer bundesweiten Durchsuchungsaktion hat die Polizei gestern vormittag versucht, neue Einblicke in die neonazistische Szene zu gewinnen. Ziel der Ermittler waren Personen, denen die Fortführung der seit 1983 verbotenen „Aktionsfront Nationale Sozialisten/Nationale Aktivisten“ (ANS) vorgeworfen wird. Die Nachfolger der Anfang '83 von Michael Kühnen gegründeten Organisation nennen sich heute „Die Bewegung“ und verfügen nach Polizeiangaben über 800 bis 1.000 Mitglieder und Anhänger. Gegen 230 Personen laufe ein Ermittlungsverfahren, erklärte ein Sprecher des baden-württembergischen Landeskriminalamtes (LKA) gegenüber der taz. Das LKA in Stuttgart hatte bei der gestrigen Aktion die Federführung, auch bei Durchsuchungen in anderen Bundesländern waren Beamte aus Baden-Württemberg anwesend.

In Nordrhein-Westfalen, Bayern, Berlin, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg durchsuchte die Polizei in 26 Städten insgesamt 40 Wohnungen. Dabei stellte sie nach eigenen Angaben umfangreiches Beweismaterial - Flugblätter, Broschüren und vor allem schriftliche Unterlagen über Innerorganisatorisches - sicher. Festgenommen wurde niemand, Verdunkelungs- oder Fluchtgefahr habe in keinem Fall bestanden.

Der Präsident des baden-württembergischen LKA, Ralph Krüger, schloß nicht aus, daß im Zuge der weiteren Ermittlungen Anklage gegen einige Verdächtige erhoben werden könnte.

Die Aktion konzentrierte sich dieses Mal nicht auf die sogenannten Rädelsführer der militanten Neonazi-Gruppe, sondern „auf das mittlere Management“, wie es ein Polizeisprecher ausdrückte.

Einen ähnlich großen Schlag hatte die Polizei zuletzt im Frühjahr 1988 durchgeführt. Daß die der ANS-Nachfolge Verdächtigten sich, ähnlich wie die „Republikaner“, mit ihrer Politik auf die DDR konzentrieren, konnte nach Polizeiangaben allerdings nicht beobachtet werden.

ak