AnwältInnen künftig mit Euro-Pieper

■ Wer es am Wochenende oder nachts mit der Polizei zu tun bekommt, wähle den Anwaltsnotdienst an: 32 46 79

Die Polizei wird gerne unangemeldet tätig: durchsucht überraschte Menschen und unaufgeräumte Wohnungen, läßt Blutproben entnehmen, nimmt Fingerabdrücke, verbringt eineN gar zur Wache. Dabei nutzen Polizeibeamte gerne das Überraschungsmoment voll aus und stellen noch vor der förmlichen Vernehmung die ersten Fragen, drohen mit U-Haft. Nach der Devise „Jetzt las

sen wir mal die Schreibmaschine beiseite, jetzt unterhalten wir uns erst mal“, stellen viele Beamte bewußt eine Atmosphäre des Vertrauens her und versuchen, unüberlegte Äußerungen zu entlocken. Das, was die Betroffenen dann in diesen Momenten herausbringen, ist für viele Strafverteidiger - ein Alptraum. Eckhard Behm: „In der Situation des ersten Zugriffs, am Anfang der

Verhaftung, passieren oft Sachen, die sind prägend für das ganze Verfahren. Das Kind ist dann oft schon in den Brunnen gefallen.“ Die Initiative Bremer Strafverteidiger und der Bremische Anwaltsverein haben jetzt eine Gegenstrategie entwickelt: den „Anwaltsnotdienst“.

Die beteiligten 80 AnwältInnen wollen zweierlei erreichen: Erstens wollen sie, daß alle poten

tiellen Betroffenen darüber informiert sind, daß sie - so heißt es im neuen Merkblatt - „das Recht haben, sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Anwaltes zu bedienen“. Dabei sind sie auf den „guten Willen“ der Polizeibeamten angewiesen, denn wenn Beamte die Betroffenen vor der formellen Vernehmung ausfragen, ohne sie über ihre Rechte zu informieren, bewegen sie sich in einer rechtlichen Grauzone: Die Strafprozeßordnung schreibt ihnen nur vor, daß sie die Betreffenden „zu Beginn der Vernehmung“ über ihre Rechte belehren müssen. In Gesprächen mit Innensenator Sakuth haben die AnwältInnen jetzt zugesagt bekommen, daß ihr Merkblatt auf allen Polizeidienststellen ausliegen wird. Und, so Anwalt Günter Bandisch: „Der Innensenator hat Anweisung gegeben, daß die Beamten die Verhafteten mit ihren Anwälten telefonieren lassen sollen.“ Zuletzt war nach einer Massenverhaftung von Jugendlichen im Ostertor bekannt geworden, daß die Bremer Polizei Betroffene nicht ans Telefon läßt.

Die AnwältInnen haben sich jedoch noch ein zweites Ziel gesetzt. Sie wollen erreichen, daß BremerInnen auch dann von der Wache aus anwaltlichen Rat einholen können, wenn in den Anwaltsbüros Feierabend ist. Zu diesem Zweck gibt es ab 1. Fe

bruar die Notdienst-Telefon nummer „32 46 79“. Wer diese Nummer anwählt, gerät an einen Anrufbeantworter, auf diesen kann sie/er Namen, Rückrufnummer und eine kurze Fallschilderung sprechen. Der Anrufbeantworter ist verbunden mit zwei Euro-Piepern, die jeweils von zwei AnwältInnen mitgeführt werden. Die zuerst angepiepte AnwältIn ruft die oder den akut von der Polizei BehelligteN spätestens binnen 15 Minuten zurück. Gemeinsam im Not-Einsatz sind dabei eine StrafverteidigerIn und eine FamilienrechtlerIn, um Kompetenz auf unterschiedlichen Rechtsgebieten zu gewährleisten. Anwalt Bandisch: „Wenn der erste Anwalt nicht weiter weiß, piept er den zweiten an.“

Wer den „Anwaltsnotdienst“ in Anspruch nimmt, muß anschließend 20 Mark für den telefonischen Ratschlag und von 50 Mark für einen anwaltlichen Not-Besuch zahlen. Die Bremer AnwältInnen haben ihren „Notruf“ den KollegInnen in Städten wie Frankfurt, Hamburg und Köln abgeguckt. Jetzt hoffen sie nur noch, daß sich das „Rechtsbewußtsein“ auch durchsetzt. Erst kürzlich hatte eine Mandantin ihren Anwalt zwar von der Wache aus anrufen dürfen, aber der vernehmende Beamte hatte heimlich das Gespräch vom Nebenzimmer aus abgehört.

B.D.